Technisch begabt, klug, führungsstark – aber unauffällig. So beschrieb Efrem Cattelan, der Chef der geheimen Organisation P-26, das Profil der rund 400 Mitglieder. Diese hätten im Kalten Krieg bei einem sowjetischen Angriff den Widerstand der Bevölkerung in der Schweiz aufbauen sollen.
Es ist kaum bekannt, dass auch rund zwei Dutzend Frauen in der klandestinen Organisation tätig waren, die 1990 im Nachgang zur Fichenaffäre aufflog – ein Aspekt, dem der Historiker Titus J. Meier in seinem soeben erschienenen Buch «Widerstandsvorbereitungen für den Besetzungsfall. Die Schweiz im Kalten Krieg» nachgeht.
«In den 1960er-Jahren hatte man sehr viele Frauen, etwa für die Funkausbildung, rekrutiert: Man sagte sich, die Männer würden bei einem Angriff in der Armee Dienst leisten oder gefallen sein, die Frauen aber wären dann noch da.» Eine der Funkerinnen der P-26 war «Tina», eine später enttarnte Kantonsschullehrerin.
Anwerbung im Freundeskreis
Als der Bundesrat 2009 ehemaligen Mitgliedern der geheimen Kaderorganisation erstmals öffentlich für ihren Einsatz dankte, brachen die einen oder anderen ihr Schweigen.
So auch die ehemalige Krankenschwester und Unternehmerin Susanne Günter, die im Schweizer Fernsehen darlegte, wie sie zur Geheimorganisation kam. Sie führte im Kanton Schaffhausen einen Holzbaubetrieb, als sie in den 1980er-Jahren von einem Freund der Familie angeworben wurde.
Sie sagte zu und liess sich unter dem Decknamen «Veronika» zur Kurierchefin ausbilden. Susanne Günter lernte, Koordinaten zu berechnen, mit einem Kompass umzugehen und mit der Pistole zu schiessen.
Bei einer feindlichen Besetzung durch eine ausländische Macht hätte sie als Kurierchefin Meldungen übermitteln, auch Menschen und Material verstecken und transportieren lassen sollen.
All dies musste praktisch geübt werden: «Da wurde man in eine Stadt abkommandiert, wohnte in einem Hotel und erhielt eine Aufgabe, zum Beispiel einen toten Briefkasten zu installieren.»
Geheim ist geheim
Ein Problem dabei war, dass Susanne Günter eine Legende erfinden musste, wenn sie zu einem Kurs aufgeboten wurde. Sie gab ihren Angehörigen an, ihre Kenntnisse als Krankenschwester aufzufrischen.
«Niemand hat davon gewusst», sagt Günter. «Man kann ja nicht bei etwas Geheimen, bei einer geheimen Widerstandsorganisation, mitmachen und dies dann der eigenen Familie mitteilen.»
Die P-26 habe eigentlich noch mehr Frauen rekrutieren wollen, sagt der Historiker Titus J. Meier. Doch der Chef der Organisation, Efrem Cattelan, habe damals festgestellt, dass es für Frauen nicht so einfach gewesen sei, zwei oder drei Tage wegzubleiben, ohne den Angehörigen mitzuteilen, wohin sie gingen und was sie vorhatten.
«Ich sah dies nicht als Lüge an»
Doch Susanne Günter sagte im Schweizer Fernsehen, sie habe keine Skrupel gehabt, eine Legende zu erfinden. «Ich sah dies nicht als Lüge an», erklärt sie. «Wenn man für eine gute Sache einsteht und daran glaubt, gehört dies dazu.»
Das ehemalige Mitglied der P-26 ist heute noch überzeugt, dass die Situation für die Schweiz im Kalten Krieg gefährlich war. So sagte sie 2016 gegenüber der Boulevardzeitung «Blick», dass man damals die Bedrohung durch die Sowjetunion immer gespürt habe: «Wenige hundert Kilometer entfernt standen die Panzer. Sie hätten jederzeit losrollen können. Es war eine andere Zeit.»
Für den Historiker Titus J. Meier ist klar, dass die Frauen in der P-26 eine wichtige Rolle spielten. Dabei übernahmen sie alle Aufgaben – mit einer Ausnahme. Bei den Genie-Truppen, die in einer Kriegssituation für bautechnische Arbeiten zuständig waren, blieben die Männer unter sich: «Das war noch in einer Zeit, als die kombattanten Einheiten in der Armee noch nicht für Frauen geöffnet waren.»