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Frauen in Freikirchen Evangelikale Feministinnen feiern in den USA ein Comeback

Millionenfach verkaufte Bücher: Evangelikale Autorinnen in den USA machen sich stark für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. In der Schweiz hingegen verdrängen viele Freikirchen das Thema Feminismus.

 «Die Frau gehört an den Herd. Und der sollte am besten im Schlafzimmer stehen», lautet ein Zitat von Woody Allen. Was der Komiker als Witz vortrug, predigen in den USA viele Evangelikale in vollem Ernst. Bis heute klammert sich ein grosser Teil der grössten Religionsgemeinschaft der USA an ein äusserst konservatives Familienbild und reaktionäre Geschlechterrollen.

Zur Stärkung des rechten Flügels haben Evangelikale 1987 sogar den sogenannten Rat für biblische Männlichkeit und Weiblichkeit etabliert. Dieser verbietet es Frauen, Männern Religionsunterricht zu erteilen oder gar Pastorinnen zu werden. Frauen hätten sich primär um Haushalt und Kinder zu kümmern.

Eine Entlassung führt zum Bestseller

In diesem religiös-konservativen Milieu sei «Feministin» zu einem «F-Wort» verkommen, einem vulgären Schimpfwort, sagt Beth Allison Barr. Die evangelikale Pastorenfrau musste in Texas am eigenen Leib erleben, wie es ist, wenn man sich nicht an die Regeln des biblischen Rats hält: Ihr Mann wurde von seiner evangelikalen Kirche entlassen, als er sich für Frauen als Lehrende eingesetzt hatte.

Ein Mädchen hält ein gelbes Schild in die Luft mit der Aufschrift «Jesus saves».
Legende: Die Feministinnen unter den Evangelikalen hätten gerne, dass die Frauenrolle offener ausgelegt wird. (Bild: Kundgebung von Evangelikalen in Washington, D.C., im Jahr 2020). Getty Images / Samuel Corum

Das Erlebnis veranlasste Beth Allison Barr, ein Buch zu schreiben: «The Making of Biblical Womanhood» – die Entstehung biblischer Weiblichkeit. Es wurde letztes Jahr zum Bestseller und liegt inzwischen in der fünften Auflage vor.

Durch eine misogyne und rassistische Brille

Beth Allison Barr kommt zum Schluss, dass Männer die Heilige Schrift dem geschichtlichen Kontext entreissen. Stattdessen deuten sie sie hinsichtlich ihrer patriarchalen Weltbilder.

Sie übt harte Kritik: «Wir haben die gesamte Heilige Schrift durch die Linse eines winzig kleinen Teils gelesen. Alles andere, was sie über Frauen sagt, haben wir ignoriert. Anstatt die Bibel wörtlich zu interpretieren, haben die männlichen Religionsführer sie durch die Brille einer sehr speziellen Südstaatenkultur interpretiert, die sowohl im Rassismus als auch im Patriarchat verwurzelt ist.»

Starke Frauen in der Bibel wurden weggelassen

Im Grunde greift Beth Allison Barr neu auf, was eine Landsfrau bereits vor 100 Jahren getan hat: Die ärztliche Missionarin Katherine Bushnell lernte damals Hebräisch und Griechisch, um die Bibel im Original lesen zu können.

Sie stellte schockiert fest, dass viele Passagen falsch übersetzt worden waren. So hatten dieselben Adjektive bei Frauen eine negative, bei Männern eine positive Konnotation. Oder starke Frauen wurden schlichtweg weggelassen.

Dieses Buch hat meinen Glauben gerettet.
Autor: Veronika Schmidt Freikirchliche Feministin

Ihre Erkenntnisse hielt Bushnell in ihrem Buch «God’s Word to Women» fest, das 1921 erstmals erschien. Sie hoffte, mit ihren Richtigstellungen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau beizutragen.

Wiederentdeckte Vorkämpferin

Bushnells Werk ging etwas vergessen. Erst seit einigen Jahren besinnt sich eine neue Generation evangelikaler Feministinnen wieder darauf.

Bushnells Buch wurde kürzlich unter dem Titel «Wach auf, Eva» auf Deutsch übersetzt. Die Schweizer Sexologin, Therapeutin und freikirchliche Feministin Veronika Schmidt sagt darüber: «Dieses Buch hat meinen Glauben gerettet.»

Des Weiteren hat die christliche Geschichtsprofessorin Kristin Kobes du Mez über Bushnell eine Biografie geschrieben. 2020 publizierte die US-Autorin ein weiteres Buch.

In «Jesus and John Wayne» zeichnet sie nach, wie das evangelikale Idealbild von Männlichkeit sich immer stärker vom sanften Jesus in Richtung grobem Cowboy à la John Wayne verschoben hat. So liesse sich auch erklären, weshalb die meisten Evangelikalen Donald Trump unterstützt und gewählt hätten.

Im Himmel gibt es keine Hierarchie.
Autor: Beth Allison Barr Evangelikale Pastorin

Ganz im Gegensatz zu ihren christlichen Sexratgebern hat Veronika Schmidts neustes Buch über Gleichberechtigung wenig Erfolg auf dem Markt, wie sie selbst sagt. Sie ist etwas frustriert darüber, dass die meisten Schweizer Freikirchen das Thema Feminismus verdrängen würden.

Viel Bewegung im Privatleben der Gläubigen

Alle drei der befragten Autorinnen sehen wenig Fortschritte bei den Institutionen, aber viel Veränderung im Privatleben der Gläubigen. Sie hoffen, dass irgendwann allen evangelikalen Gläubigen einleuchte, dass Gott für die Gleichberechtigung aller Menschen einstehe.

«Für mich ist Jesus ein Feminist, weil er immer zu der Frau gestanden ist», sagt Veronika Schmidt, «das war sehr aussergewöhnlich in der Zeit, in der er lebte».

Beth Allison Barr betont: «Der Feminismus ist ein Aufruf, dass alle Menschen gleichermassen nach dem Bild Gottes geschaffen sind. Dass alle Menschen die gleichen Chancen verdienen und dasselbe gottgegebene Potential für dieselben Talente haben. Im Himmel gibt es keine Hierarchie.»

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 23.10.2022, 8:30 Uhr

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