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Gedenken an Schweizer NS-Opfer Höchste Zeit für ein Mahnmal – aber für wen?

Hunderte von Schweizerinnen und Schweizer wurden von den Nazis verfolgt. Nun soll ein nationales Mahnmal an die Schweizer Opfer erinnern. Das Projekt hat gute Chancen.

Erich Bloch weiss, was es heisst, Opfer des Nazi-Regimes zu sein. Sein Vater engagierte sich in Deutschland im Widerstand, flüchtete in die Schweiz und wurde in Schaffhausen wegen seiner politischen Tätigkeit ins Gefängnis geworfen. Die Familie rutschte in die Armut ab.

Andere Flüchtlinge wurden an der Grenze zurückgewiesen. Dann gab es noch jene Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland von den Nazis verfolgt wurden. Um sie habe sich die offizielle Schweiz damals viel zu wenig gekümmert, sagt Erich Bloch. «Die Schweiz muss endlich den Mut haben, sich ihrem Scheitern zu stellen.»

Anerkennung und Aufarbeitung

Ein nationales Denkmal für die Schweizer Opfer des Nazi-Regimes biete die Chance, das Leiden der Opfer offiziell anzuerkennen. Und die Gelegenheit, die Rolle der offiziellen Schweiz aufzuarbeiten.

Erich Bloch gehört einer Arbeitsgruppe an, die ein Konzept entwirft für ein derartiges Mahnmal. Mit dabei sind die Auslandschweizer-Organisation AOS, der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und die christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft.

Wer soll im Zentrum stehen?

An einer Diskussionsrunde, veranstaltet vom Verein Babelkultur in Zürich , waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: Es ist höchste Zeit für ein Mahnmal. Es soll in Bern stehen und der Bund dafür bezahlen.

Doch für wen das Mahnmal errichtet werden soll, ist umstritten. Jaques Picard, emeritierter Professor für jüdische Geschichte an der Universität Basel, plädiert für einen Fokus auf die Schweizer Opfer.

«Ich halte es für fundamental, die Schweizerinnen und Schweizer ins Zentrum zu stellen», sagt er. «Es geht ja um die Frage, wie der Staat damals und heute zu diesen Menschen steht.»

Anders sieht dies Hannah Einhaus von der christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft. «Es wäre bedenklich, wenn wir nur auf die Schweizer Opfer im Ausland fokussieren und dabei die 25'000 abgewiesenen Flüchtlinge, die 20'000 Geretteten und die hunderten Helferinnen und Helfer ausblenden würden.»

Ausserdem müsse das Mahnmal auch die Gelegenheit bieten, des Holocausts zu gedenken – gerade jetzt, da der Antisemitismus und Diskriminierungen anderer Art wieder zunähmen.

Gute Chancen im Parlament

Damit ist auch Erich Bloch einverstanden. Als ehemaliger SP-Politiker weiss er aber auch: Ein nationales Mahnmal muss von Bundesrat und Parlament abgesegnet werden.

«Ein Projekt muss mehrheitsfähig sein – und ein Fokus auf die Schweizer Opfer hat die grösseren Chancen.» Das zeigt auch ein nationaler Vorstoss, der von allen Parteien unterstützt wurde. Auch SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat Unterstützung signalisiert.

Nun muss sich die Arbeitsgruppe auf ein Konzept einigen, das sie dem Bundesrat übergibt. Das soll noch dieses Jahr geschehen. Sagen Bundesrat und Parlament ja, würde dies Erich Bloch viel bedeuten: «Es wäre eine Genugtuung und eine Erleichterung. Wir könnten endlich aufatmen.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 6.2.2020, 17.10 Uhr

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