Vor rund zwei Monaten sorgte ein von zwei Männern erfundener Handschuh für Aufsehen: Die «Pinky Gloves» sollten ein vermeintliches Frauenproblem lösen. Mit den Handschuhen sollten Frauen einen blutigen Tampon entsorgen können, ohne ihn mit blosser Hand anfassen zu müssen.
Im Internet zeigten sich viele Frauen verärgert und nannten das Produkt sexistisch. Es würde Frauen einmal mehr einreden wollen, dass Monatsblutungen eklig und unrein seien und von niemandem gesehen werden dürfe.
Die menstruierende Frau bedroht die Ordnung
Die britische Kulturanthropologin Mary Douglas erklärte bereits 1966 in ihrem Buch «Reinheit und Gefährdung», dass das Blut einer menstruierenden Frau als Überschreitung und damit Bedrohung der Ordnung wahrgenommen werde. Denn Schmutz verstosse gegen die Ordnung, er sei «Materie am falschen Ort».
Diese Angst vor Unordnung habe alle Religionen dazu veranlasst, sich mit dem Thema Menstruation in ihren Normen und Riten zu befassen, schreibt die Theologin Theresia Heimerl im Religionswissenschaftsblog der Zeitung «Standard» .
Zum einen werde Blut als Lebenssaft, als Träger des Lebens wahrgenommen, zum anderen rücke das Menstruationsblut schon körpertopographisch in die Nähe der «unreinen» Ausscheidungen. Schliesslich sei das Menstruationsblut höchst ambivalent, gerade weil es einen regelmässigen Verlust dieses Lebensträgers gebe, ohne lebensbedrohlich zu sein.
Menstruation in den Weltreligionen
Diese Uneindeutigkeit der menstruierenden Frau sei beseitigt worden, indem die meisten grossen Religionssysteme Frauen mit Monatsblutungen als unrein erklärten, schreibt Theresia Heimerl. Die Unreinheit würde eine ganze Reihe von Konsequenzen nach sich ziehen.
Je nach Religion sind diese Konsequenzen unterschiedlich formuliert. Grundsätzlich werden Frauen auf der einen Seite von alltäglichen Pflichten entbunden, also geschützt. Gleichzeitig gilt für sie auch das Verbot, Rituale durchzuführen, Tempel oder Moscheen zu betreten, zu beten oder religiöse Ämter auszuführen, was wiederum den Schutz des Heiligen bedeutet.
1. Christentum
Im Alten Testament steht geschrieben, dass die Frau, die menstruiert, sieben Tage unrein sei, und dass, wer sie berühre, selbst unrein sei bis zum Abend.
Der Mann, der mit einer menstruierenden Frau sexuell verkehrt, sei wie die Frau sieben Tage unrein. Diese alttestamentlichen Menstruationsvorschriften gelten später im Christentum praktisch nicht mehr.
2. Islam
Die Menstruation ist gemäss Koran ein «Leiden». Männer haben sich in dieser Zeit von ihren Frauen fernzuhalten. Menstruierenden ist zudem – je nach Auslegung – das Beten, Fasten, Betreten einer Moschee und die Berührung des Korans untersagt, bis sie wieder rein sind.
Diese Reinheit wird durch eine rituelle grosse Waschung – dem «Ghusl» – nach der Blutung zurückerlangt.
3. Hinduismus und Buddhismus
Auch Hinduismus und Buddhismus kennen die Vorstellung des verunreinigenden Menstruationsblutes. Im brahmanischen Hinduismus muss sich die Frau drei Tage von ihrer Familie abgrenzen. In dieser Zeit darf sie keine weltlichen Tätigkeiten verrichten und auch keine religiösen Handlungen. Der Zugang zu einem Tempel ist untersagt.
2017 wurde dieses Verbot in Indien vom Obersten Gericht aufgehoben. Nachdem zwei Frauen daraufhin einen Tempel betraten, gab es heftigen Widerstand und der Tempel wurde rituell gereinigt.
Im Hinduismus können Frauen nicht alle religiösen Ämter besetzen. Es heisst, dass sie aufgrund der regelmässig wiederkehrenden Menstruation die Ritualhandlungen und die religiöse Begleitung nicht kontinuierlich garantieren könnten. Mit der Menopause, dem Ende der Fruchtbarkeit, werden gewisse Ämter für Frauen wieder zugänglich.
4. Judentum
Frauen gelten während der Menstruation als unrein und dürfen keinen rituellen Handlungen beiwohnen oder die Synagoge betreten.
Der Talmud sagt, dass ein Mann, der eine Frau berühre, die «nidda» ist, ebenfalls ritual unrein werde. Um diese Gefahr zu vermeiden, legen orthodoxe Jüdinnen und Juden zum Beispiel Gegenstände, die man einander geben möchte, zuerst ab, um sie nicht direkt in die Hand reichen zu müssen. In dieser Zeit teilen Mann und Frau auch nicht das Bett.
Weg mit der «unreinen Menstruation»
Nur temporär war auch die Aufregung rund um die «Pinky Gloves», also jenen Handschuhen, die die Menstruation und die Entsorgung der Hygieneartikel noch diskreter hätten machen sollen.
Nach dem Aufschrei empörter Frauen in den sozialen Medien nahmen die Unternehmensgründer ihr Produkt schleunigst wieder vom Markt. Mit der Begründung, sie hätten zu keiner Zeit einen natürlichen Prozess tabuisieren wollen.