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Geschichte des Judentums Die italienischen Ghettomauern waren durchlässig

Im 16. Jahrhundert entstanden in Italien erste Ghettos. Dennoch waren Jüdinnen und Juden integriert – zumindest halbwegs.

1516 beschloss die Stadtregierung von Venedig die Schaffung eines Ghettos: Eines Ortes also, an dem nur Jüdinnen und Juden leben mussten. Das «Ghetto Novo» hatte Eingangsportale, die abends ab- und morgens wieder aufgeschlossen wurden. 1555 entstand auch in Rom ein Ghetto, andere italienische Städte zogen nach.

Die erste Ausstellung zur wechselvollen Geschichte italienischer Ghettos in Ferrara überrascht. Obwohl die Ghettos offiziell Orte der Ausgrenzung waren, bestanden immer recht rege Beziehungen zwischen Juden und Christen. 

Ghettos aus verschiedenen Gründen

Menschen jüdischen Glaubens lebten seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. in Italien. Immer waren sie halbwegs integriert. Blutige und tödliche Pogrome wie in Spanien und in Nordeuropa waren in Italien selten. Selbst im päpstlichen Rom brauchten Juden in der Regel nicht um ihr Leben zu fürchten.

Und doch entstanden aus verschiedenen Gründen Ghettos. In Rom wollten die Päpste die Juden an einem mit Mauern umbauten Ort wissen. In Venedig wollten die Dogen die wirtschaftlich regen Juden unter Kontrolle halten.

Zwei jüdische Kinder rennen durch einen Eingang.
Legende: Ein Durchgang im ehemaligen Ghetto von Venedig, der heute noch zu sehen ist. Reuters/Alessandro Bianchi

Enge Beziehungen trotz Mauern

Die Ausstellung «Oltre il Ghetto» («Jenseits des Ghettos») in Ferrara zeigt, dass auch hohe Mauern den engen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Juden und Christen keinen Abbruch taten. 

Die wichtigsten Hofärzte der Päpste waren Juden, über Jahrhunderte hinweg. Auch die Matratzen für die päpstlichen Betten kamen von jüdischen Händlern. Kunstschaffende und Musiker in und ausserhalb der Ghettos standen im engen Austausch. Es verwundert nicht, dass sich die sakrale und profane Musik der jüdischen und christlichen Renaissance und des Barocks sehr ähnelt.

Mehrstöckige Synagogen

Obwohl sie im Ghetto sehr eng zusammenleben mussten, was zum Bau hoher Wohnhäuser und zu mehrstöckigen Synagogen führte, trieben Roms Juden regen Handel mit den Christen. Vor allem im Stoffgeschäft waren sie umtriebig.

Judenverfolgungen gab es unter päpstlicher Herrschaft keine. Doch dafür hatten die Juden jedes Jahr eine hohe Steuer zu zahlen und wurden während des Karnevals bei Umzügen verspottet.

In Venedig gab es für die Juden grosse Freiheiten, trotz der Mauern. Die wichtigsten Buchdrucker nicht nur Venedigs sondern ganz Italiens lebten im Ghetto. Sie publizierten Bücher, die anderswo nicht gedruckt werden durften. Der bedeutendste Buchdrucker Venedigs für jüdische Sakralliteratur war im 16. Jahrhundert ein Christ.

Beschriftung und Bild in einer Ausstellung.
Legende: Blick in die Ausstellung «Oltre il Ghetto». zvg/Francesco Mancin & Corradino Janigro

Das Ende der Ghettos

Die Ausstellung in Ferrara schildert auch das Ende der Ghettos. Dazu kam es infolge der italienischen Staatseinigung und der Religionsfreiheit ab Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Jüdinnen und Juden verliessen die zumeist eng bebauten Ghettos und liessen sich in anderen Stadtvierteln nieder. Obwohl die trennenden Mauern abgerissen wurden, bekommt man in Städten wie Venedig und Rom auch noch heute einen Eindruck davon, wie diese Orte einst aussahen.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Oltre il Ghetto – Dentro e fuori» ist noch bis Mitte Mai 2022 zu sehen, Nationalmuseum für die Geschichte der italienischen Juden und der Shoah MEIS in Ferrara

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 15.11.2021, 08:15 Uhr

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