Das Wichtigste in Kürze
- Afrika arbeitet seit den 1960er-Jahren daran, die eigene Geschichte aus einer afrikanischen Perspektive zu erzählen.
- Im Mammutprojekt Histoire générale de l'Afrique wird die Geschichte Afrikas festgehalten. Acht Bände sind bereits erschienen. Der neunte soll 2018 erscheinen.
- Ab 2018 sollen alle Schüler Afrikas auf Basis der Histoire générale unterrichtet werden. So soll der Zusammenhalt der afrikanischen Staaten gefördert werden.
Afrika soll stärker zusammenwachsen. Das will die Afrikanische Union. Eine kontinentale Freihandelszone soll deshalb den Handel innerhalb Afrikas stärken, ein afrikanischer Pass soll eingeführt werden und die Staaten wollen in Sicherheitsfragen noch enger zusammenarbeiten.
Aber auch die Geschichte ist von Bedeutung bei der Bildung von Nationen. Die gemeinsame Erinnerung stiftet Identität und stärkt den Willen zur Gemeinschaft. Das war in Afrika in der Vergangenheit nicht anders als in Europa.
Afrika deutet seine Geschichte selber
Für die afrikanischen Länder spielt die Geschichtsschreibung allerdings eine besondere Rolle. Denn ihnen war von den Kolonialmächten abgesprochen worden, überhaupt eine Geschichte zu haben.
So war das Bedürfnis nach einer eigenen Deutung der eigenen Geschichte nach der Unabhängigkeit in den 1960er-Jahren gross und unmittelbar mit der Identitätsbildung der neuen afrikanischen Nationen verknüpft.
Aus diesem Grund lancierten die neuen afrikanischen Länder 1964 ein Riesenprojekt der Geschichtsschreibung: die Histoire générale de l'Afrique. 35 Jahre wurde an den acht Bänden geschrieben, deren Inhalt später in den Lehrplan aller afrikanischen Schulen einfliessen sollte.
Sklavenhandel aus afrikanischer Sicht
Der Fokus lag auf der vorkolonialen Geschichte Afrikas, erklärt der senegalesische Historiker Mamadou Diouf. Darüber hinaus sei es für die erste Generation von Historikern im unabhängigen Afrika wichtig gewesen, sich auf die Auswirkungen der europäischen Machenschaften zu konzentrieren: auf den Sklavenhandel und den Kolonialismus. Und insbesondere auf die afrikanischen Widerstandsbewegungen in diesem Kontext.
Wichtig war immer die afrikanische Perspektive. Afrikanerinnen und Afrikanern wurde in der Geschichtsschreibung ihr Platz gegeben – als handelnde Subjekte. Als Menschen, die eine aktive Rolle spielten im kolonialen Afrika und zur Zeit des Sklavenhandels.
In der globalen Geschichtsschreibung hat diese afrikanische Perspektive heute ihre unangefochtene Position. Im Lehrplan afrikanischer Schulen hingegen hat sie ihren gebührenden Platz noch nicht erhalten. Das soll sich nun ändern.
Einheitlicher Geschichtsunterricht ab 2018
Ab 2018 Jahr soll der Inhalt der Histoire Générale de l'Afrique in den Lehrplan aller Schulen einfliessen. In jeder Primar- und Sekundarschule Afrikas soll derselbe Geschichtsinhalt vermittelt werden.
Das mache Sinn, meint Mamadou Diouf. Schliesslich seien sich seit den 50er-Jahren alle einig: Ohne diese Integration werde Afrika nicht vorankommen. Der einheitliche Lehrplan in Geschichte, könne diese Integration vorantreiben.
Gemeinsame Geschichte fördert Zusammenhalt
Gemeinsam mit anderen Afrika-Historikern schreibt Mamadou Diouf nun an Band 9 der Histoire Générale de l'Afrique. Er soll im nächsten Jahr fertig werden.
So wird auch über ein halbes Jahrhundert nach der Unabhängigkeit weitergearbeitet am politischen Projekt der afrikanischen Geschichtsschreibung. Die Histoire Générale de l'Afrique als Katalysator für den Zusammenhalt der Afrikanischen Union.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 6.7.2017, 6:50 Uhr.