«Fick dich, Nigger!», «Wir werden Dich aufhängen und anzünden, du verfickter Nigger!» So wird James Meredith im Oktober 1962 von weissen Studenten auf dem Campus der Universität von Mississippi begrüsst und bedroht. Und so beginnen auch Merediths Erinnerungen, die er vor vier Jahren zusammen mit dem amerikanischen Publizisten William Doyle veröffentlicht hat.
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Allein gegen die weisse Vormachtsstellung
1960 kehrt Meredith nach neun Jahren in der US-Air Force in seine Heimat zurück. Er hatte seinen Militärdienst neben weissen Soldaten getan – in der ersten Einheit nach der aufgehobenen Rassentrennung. Währenddessen hat sich zu Hause in Mississippi rein gar nichts verändert: Noch immer werden Schwarze Tag für Tag diskriminiert, bedroht, verfolgt und ermordet.
Dennoch wagt der 27-Jährige das Undenkbare: Er eröffnet eine 14-monatige, juristische Schlacht – mit dem Ziel, als erster schwarzer Student Zugang zur Universität von Mississippi zu erhalten, dem «heiligen Tempel der weissen Vorherrschaft Amerikas.» In «Ole Miss», so heisst die Bastion des «Alten Südens» unter Einheimischen, sind Schwarze damals höchstens als Garten-, Putz- oder Küchenhilfen geduldet.
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Rassisten rüsten zum Kampf
Sowohl Universitätsleitung wie auch örtliche und staatliche Gerichte schmettern den schwarzen Antragsteller Mal für Mal ab. Doch Meredith gibt nicht auf, zieht den Fall ans Oberste Gericht in Washington weiter. Dort, wo bereits 1954 die Rassentrennung in Schulen für verfassungswidrig erklärt wurde, erhält er endlich Recht.
Der Entscheid aus der Hauptstadt versetzt die weisse Mehrheit Mississippis in Aufruhr. Als Justizminister Robert Kennedy zum Schutz von Merediths Universitätseintritt einen kleinen Trupp von Soldaten ins Universitätsstädtchen Oxford schickt, werden die Männer von pöbelnden Horden als «Nigger Lover» beschimpft und mit Steinen und brennenden Zigaretten beworfen.
Die Situation droht zu eskalieren. Präsident John F. Kennedy sieht sich schliesslich zu einer Massnahme genötigt, die er mit allen Mitteln zu verhindern hoffte: Er schickt über 20'000 Soldaten nach Oxford – gegen die eigene Bevölkerung. Bewaffnet mit Tränengas. Gewehrkugeln nur im absoluten Notfall, lautet der Befehl.
Campus wird Kampfzone
In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1962 liefert der weisse Mob den entsandten Truppen wütende Strassenschlachten. Das Universitätsgelände gerät zur Kampfzone. Etwa 2000 Aufständische zerstören, was ihnen in die Hände gerät. Erst im Morgengrauen ist der Spuk vorbei. Zwei Tote, Dutzende Verletzte, Hunderte von Inhaftierten und ein enormer Sachschaden sind die Bilanz.
Meredith kann endlich sein Studium der Politikwissenschaften beginnen, allerdings nur unter übelsten Beschimpfungen und Bedrohungen – und unter Schutz bundesstaatlicher Sicherheitskräfte vom ersten bis zum letzten Tag. – Angst? «James Meredith hatte nie Angst!», antwortet der heute 83-Jährige, der mit seiner Frau in Mississippis Hauptstadt Jackson lebt. «Ich kam nicht nach ‹Ole Miss› um zu studieren, sondern um einen Krieg gegen die weisse Vormacht zu lancieren.»
Meredith schliesst sein Studium im August 1963 ab, bevor er zum Jurastudium nach New York wechselt. Mehrmals ist er drauf und dran, den Bettel hinzuschmeissen. Denn die feindselige Umgebung geht an die Substanz. Auch seine Familie bleibt von Morddrohungen nicht verschont. Eine seiner Schwestern hat sich umgebracht.
Späte Ehre – dem Geehrten suspekt
Seit 2008 erinnert eine bronzene Statue auf dem Universitätsgelände an den couragierten Einzelkämpfer. Doch der alte Mann kann sich an der späten Ehrung nicht freuen. «Diese Statue steht nur dort, um die heute dort studierenden Schwarzen zu besänftigen», höhnt Meredith im Gespräch, «ein psychologischer Trick. Mit mir hat das rein gar nichts zu tun!»
Tatsächlich hat sich der Rassismus mit der Zulassung von Schwarzen nicht einfach verflüchtigt. «Es gibt hier jede Menge Rassismus», erzählt Brandy, eine Afroamerikanerin, die Psychologie und Sozialwissenschaften studiert. «Wenn aber etwas passiert, werden die Sachen von den Medien jedes Mal gross aufgeblasen. Und wir machen auch selber eine grosse Sache daraus, weil wir nicht möchten, dass sich die Vergangenheit wiederholt.»
Ein Vorfall hat Brandy allerdings schwer getroffen – und nicht nur sie: Vor zwei Jahren legten Mitglieder einer weissen Studentenverbindung einen Strick um den Hals von Merediths Statue. Ein symbolischer Lynchakt, der an schlimme Zeiten erinnerte. Schwarze und weisse Studierende gingen gemeinsam auf die Barrikaden, Professoren und Universitätsleitung schlossen sich dem Protest an. Das FBI wurde zu Hilfe gebeten. Vor einigen Monaten hat der Drahtzieher die Tat gestanden. Er wird seine Haftstrafe in einem bundesstaatlichen Gefängnis absitzen.