«Ich kann heute jung und weiblich sein und trotzdem einer Glaubensgemeinschaft angehören», sagt Jacqueline Straub: «Ich kann dort etwas bewegen.» Die Theologin will ausgerechnet in der römisch-katholischen Kirche Priesterin werden. Das ist unmöglich. Im Kirchenrecht steht der unerbittliche Satz: «Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.»
Die Theologin lässt sich nicht mit Paragraphen abspeisen. Jesus von Nazareth habe nicht nur zu Männern gesprochen, sondern auch zu Frauen. Jacqueline Straub hält fest: «In der Nachfolge Jesu waren auch Frauen. Somit stelle ich mich auch als Frau in seine Nachfolge. Frauen, die sich berufen fühlen, sollen ihre Berufung leben können.»
Der Wunsch nach Öffnung
Mirjam Haymann ist Juristin und Yoga-Lehrerin. Sie ist in der jüdischen Tradition verwurzelt. Die Religion gibt ihr Antworten auf existenzielle Fragen im Leben. Jung, emanzipiert und religiös zu sein, das ist auch für sie kein Widerspruch. Im Judentum gebe es viele Gruppierungen. Die Frage der Emanzipation werde unterschiedlich beantwortet. Sie fügt schmunzelnd hinzu: «Es gibt in dieser Hinsicht viele Schattierungen, nicht nur Schwarz-Weiss-Denken».
Mirjam Hayman wünscht sich in vielen Bereichen der jüdischen Gemeinschaft eine Öffnung. Für eine stärkere Beteiligung von Frauen sieht sie durchaus Potenzial: «Der Prozess selbst ist ein wichtiger Teil der Emanzipation», sagt sie.
Yoga und Religion berühren sich
Mirjam Haymann ist religiös. Die jüdische Religion liegt ihr sehr am Herzen. Sie praktiziert das Judentum aber nicht wie orthodoxe Juden. Sie versteht sich als religiös – eher in spiritueller, philosophischer Hinsicht. Sie praktiziert und lehrt auch Yoga, sieht das aber nicht als Religion.
Aber: «Yoga ermöglicht mir körperliche und emotionale Stärke, Freude und Zuversicht. Es bietet mir die Gelegenheit, mich mit meinem eigenen Dasein auseinanderzusetzen. Es gibt mir Raum und Werkzeug, mit den Widersprüchen und Schwierigkeiten im Leben umzugehen» – hier berühren sich für Mirjam Haymann Yoga und Religion.
Die Kirche kaum von innen gesehen
Jacqueline Straub ist in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, zuhause aber nicht religiös erzogen worden. Die Kirche hat sie nur einmal im Jahr von innen gesehen. Als Jugendliche hat sie zur Religion gefunden. Heute bezeichnet sie sich als «sehr religiös», fühlt sich in der römisch-katholischen Kirche beheimatet. Gottesdienst und persönliches Gebet sind ihr wichtig: «Ich vertraue darauf, dass Gott mich im Leben führt.»
«Hier spricht die Boxerin»
Priesterin zu werden in der römisch-katholischen Kirche: Jacqueline Straub weiss, dass sie für dieses Projekt einen langen Atem braucht. «Das dauert und braucht Mut. Hier spricht die Boxerin aus mir, die sich durchsetzt, die auch wieder aufsteht, wenn sie niedergeschlagen wurde.»
Boxen ist Jacqueline Straubs Hobby. Beim Boxen habe sie Ausdauer gelernt, Geduld, wenn man einen Wunsch nicht sofort umsetzen kann. Bezüglich Priesterweihe komme es darauf an, wer der nächste Papst werde. Jacqueline Straub sinniert: «Wenn es noch einmal einer wird wie Papst Franziskus, dann geht’s etwas schneller. Wenn ein Konservativer kommt, wird’s schwierig.»
Die Ansichten sollen vielfältig sein
Wie sieht für die beiden Frauen das Idealbild von Religion aus? Jacqueline Straub meint: «Mir ist wichtig, dass wir Frauen die selben Möglichkeiten haben wie die Männer. Dass unsere Anliegen nicht abgetan werden nach dem Motto: ‹Ihr Frauen könnt doch schon viel machen, seid zufrieden.›»
Mirjam Haymann betont: «Ich wünsche mir, dass ich als Frau ganz authentisch jüdisch sein kann.» Es soll möglich sein, alle Themen anzusprechen und kritische Fragen zu stellen: Die Gläubigen sollen da abgeholt werden, wo sie im Moment im Leben stehen. Sie wünscht sich, dass verschiedene Konzepte und Ansichten nebeneinander bestehen können, denn: «Vielfalt macht das Leben schön und würzig.»