Die Suche hat eine Ende, die NZZ hat eine neue publizistische Leitung. Ein Dreiergespann. Zwei von drei Namen sind altbekannt: Der bisherige Ausland-Chef Eric Gujer ist neuer Chefredaktor, «NZZ am Sonntag»-Chefredaktor Felix E. Müller stösst in die Geschäftsleitung vor.
Neu und überraschend ist der Name Anita Zielina. Die 35-jährige Online-Journalistin aus Wien ist offizielle «Chefredaktorin neue Produkte» an der Falkenstrasse. Wer ist sie und wofür steht sie? Das wollten wir von der österreichischen Medienredaktorin Ingrid Brodnig wissen.
Ingrid Brodnig, Sie kennen Anita Zielina seit vielen Jahren, hat Sie die Berufung zur NZZ überrascht?
Nein, das hat mich überhaupt nicht überrascht. Anita Zielina war ja schon vorher stellvertretende Chefredaktorin des «Stern» und dort auch für das Digitale zuständig. Dass sie jetzt einen Job auf einer vergleichbaren Ebene annimmt, das war fast zu erwarten.
Zielina trat ja noch als Studentin beim österreichischen «Standard» ein, wie hat sie dieses traditionsreiche Blatt geprägt?
Es gab beim «Standard» zwei Phasen von Anita Zielina: Eine Phase war lange vor ihrem Aufenthalt in den USA. Da arbeitete sie im Bildungs- und Innenpolitik-Ressort der Website. Da war sie quasi eine normale Redaktorin und dann Ressortleiterin.
Später ging sie in die USA und studierte dort in Stanford. Sie baute sich eine unglaubliche Marke auf im digitalen Feld. Als sie zurückkehrte, wurde sie beim «Standard» stellvertrende Chefredaktorin. Dort blieb sie ein bisschen länger als ein halbes Jahr. Doch sie hat Signale gesetzt und schrieb einen Innovationsblog. Kurz nach ihrem Weggang zeichnete sich ab, dass der «Standard» die Online- und Printredaktion zusammenlegt. Dafür war sie ein wesentlicher Faktor.
Ist der «Standard» mit der NZZ vergleichbar?
Sie können, glaube ich, den «Standard» nicht mit der NZZ vergleichen. Der «Standard» war im digitalen Geschäft, zumindest in Österreich, klarer Marktführer. Sie war als erste Zeitung online gegangen. Die Zeitung ist in vielen Bereichen schon relativ weit. Ich glaube, die NZZ als Flaggschiff ist nicht so leicht wendbar, ist digital vielleicht noch etwas weiter davon entfernt.
Zielina wurde ja geholt, damit sie die NZZ weiter ins digitale Zeitalter führen kann. Sie ist an vielen Kongressen aufgetreten als Referentin, als Exponentin des neuen Online-Journalismus. Sie haben sie erlebt – wofür steht sie denn?
Ich würde sagen, sie predigt den State of the Art, mit einem amerikanischen Blick auf den Journalismus, der tatsächlich Print zu grossen Teilen als Übergangsform sieht. Hin zu einem digitalen Markt. Sie ist sicherlich keine, die so plumpe Sätze sagen würde wie «Das Papier gehört abgeschafft». Sondern eher, dass sich Medienhäuser rechtzeitig auf diesen Wandel einstellen müssen.
Nun trifft sie in Zürich auf eine Redaktion, die in den letzten Jahren sehr skeptisch mit diesem Wandel umgegangen ist. Was kann Anita Zielina erreichen bei der NZZ?
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Das ist die schwierigste Frage beim Ganzen, nämlich: Inwiefern kommt sie mit dem klaren digitalen Kurs, den sie fährt, durch? Es ist nicht leicht, sich als Aussenstehende auf einer Schweizer Redaktion durchzusetzen. In diesem Fall hat sie einen Vorteil. Nämlich, dass der CEO der NZZ-Mediengruppe, der Österreicher Veit Dengler, ebenfalls sehr veränderungsbereit ist.
Hier hat sie wohl tatsächlich gute Karten. Die grössere Frage ist, und da sehe ich Schwierigkeiten: Wie kann man so ein grosses Schiff wie die NZZ in eine andere Richtung steuern? Bisher wirkte es ja nicht so, als ob die NZZ diesen digitalen Weg voller Leidenschaft eingeschlagen hat. Da hab ich tatsächlich meine Zweifel.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 12.03.2015, 17:20 Uhr