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Eine Frauenhand in Ketten.
Legende: Ein Kraftakt: Frauen müssen sich bei der Arbeit noch nach vorne kämpfen. Photocase

Gesellschaft & Religion Aufholbedarf: Frauen sind schlechter vernetzt als Männer

Erfolg im Beruf hängt von der Leistung am Arbeitsplatz ab. Aber nicht nur: Häufig ist die Vernetzung ebenso wichtig. Da haben die Männer den Frauen einiges voraus. Die Zürcher Headhunterin Doris Aebi erklärt, warum Frauen nicht gut genug vernetzt sind. Ein Problem: Sie sind zu wenig opportunistisch.

Zur Person:

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Doris Aebi
Legende: Keystone

Doris Aebi ist Headhunterin. Die Zürcher Unternehmerin und Verwaltungsrätin arbeitete in leitenden Positionen bei der UBS und der CS.

Wie erklären Sie sich, dass Frauen in beruflicher Hinsicht schlechter vernetzt sind als Männer?

Doris Aebi: Ich glaube, sie nehmen sich weniger Zeit für das opportunistische Netzwerken im Sinne der Karriereplanung. Dabei geht man ganz gezielt an einen Anlass, um dort Leute zu treffen, die für das berufliche Weiterkommen wichtig sind. Frauen übernehmen jedoch den grösseren Anteil der Familien- und Hausarbeit als Männer. Das zeigen auch die Statistiken. Diese Arbeiten fallen notgedrungen am Abend oder am Wochenende an. Gerade an den Abenden finden aber viele Netzwerkveranstaltungen statt. Es ist oft eine Frage der Prioritätensetzung. Dann kommen Familien- und Haushaltsarbeit vor dem Netzwerken. Wenn noch etwas Zeit bleibt, sehe ich immer wieder, dass Frauen für sich selber Zeit nehmen, sich einen schönen Abend machen oder Freundinnen treffen.

Sie sagen, Frauen seien zu wenig opportunistisch. Gibt es da eine Hemmung, Beziehungen funktional zu betrachten? Beim Netzwerken weiss man nie genau, wo die Grenze zur Klüngelei verläuft.

Das ist in der Tat so. Klüngelei ist etwas, was Frauen im Beruf, nicht als prioritär anschauen. Sie wollen eine gute Leistung erbringen, die gesehen und anerkannt wird. Sie wollen, dass eine Beförderung mit dem einhergeht. Das finde ich schade, denn Netzwerken ist nicht per se etwas Negatives oder nur Klüngelei. Der Austausch bringt einem ja auch etwas. Er ist ein Teil der Leistung und ein Teil davon, wie Beförderungen im Wirtschaftsleben ablaufen.

Ist es für Frauen wirklich ein Nachteil, wenn sie sich auf die Sache, den Inhalt konzentrieren?

Das eine tun, das andere nicht lassen. Entscheidend ist immer noch die Leistung, die man am Arbeitsplatz erbringt. Das Netzwerken ist aber auch wichtig. Da lernt man einen Menschen anders kennen. Es findet ausserhalb des Büros in einem anderen Ambiente statt. Oft spricht man auch über andere Dinge. So lernen einen die Kollegen und die Vorgesetzten in einem anderen Kontext kennen. Das ist oft ein wichtiger Faktor für die Einschätzung, ob eine Beförderung sinnvoll ist oder nicht.

Tipp: «Europas erste Juristin»

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Sie liebte die Freiheit, provozierte die Männer und stand ein für ihre Rechte: Emilie Kempin-Spyri promovierte vor als erste Frau in Europa zur Doktorin beider Rechte. Ihr Kampf für die Besserstellung der Frauen forderte ihren Tribut. Der Film «Europas erste Juristin» wird am Donnerstag, 10. März 2016, um 0:10 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt

Wie können Frauen bei diesem beruflichen Defizit aufholen? Es ist ja nicht einfach in traditionelle Männerrunden hinein zu kommen.

Wichtig ist: Netzwerken muss Spass machen. Wenn man an einen Anlass geht und das Gefühl hat, dass es langweilig ist, empfehle ich fernzubleiben. Es wäre kontraproduktiv. Man muss Freude an der Unterhaltung haben und das Ganze auch etwas spielerisch angehen.

Was halten Sie von reinen Frauennetzwerken, ist so etwas sinnvoll?

Das kommt immer auf das Ziel an. Wenn es darum geht, vor allem berufliche Aspekte zu betonen, dann denke ich, sind gemischte Netzwerke besser. Gemischte Arbeitsformen sind ja auch die Realität im Beruf.

Wie entscheidend ist Netzwerken für den beruflichen Erfolg?

Das kommt stark auf die Kultur eines Unternehmens an. Es gibt Unternehmen, die sind relativ autonom. Die fokussieren sich eher auf die Leistung am Arbeitsplatz. Das ganze Drumherum ist weniger relevant. In so einer Kultur ist das Netzwerken weniger zentral. Es gibt jedoch viele Firmen, bei denen dieses interaktive Zusammenwirken ausserhalb der formellen Arbeit wichtig ist. In solchen Kulturen ist das Abseitsstehen kontraproduktiv.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 8. März 2016, 6.50 Uhr

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