Ein Märztag mit viel Schnee. Endlich Winterurlaub! Zu sechst sind wir im Zug unterwegs nach Brigels in Graubünden. Für ein paar Tage wollen wir uns auf dem Berg verschanzen. In einer Hütte direkt im Skigebiet. Und das ist der Plan: Viel Wein und Käsefondue, Schlitteln im Mondschein und natürlich ganz viel Snowboardfahren. Die Vorfreude ist gross. Gleich sind wir da – übermütig stehen wir auf, holen unsere Snowboards und gehen schon mal zur Zugtür.
Immer diese Jungen ...
Ich bemerke einen alten Mann mit Hut und Gehstock. Er steht vor uns, nahe der Tür, den Rücken zu uns gedreht. Bestimmt muss auch er in Brigels aussteigen. Wir schwatzen und blödeln, wir grölen und balgen, wir necken uns. Als der Zug hält, passiert es. Einer meiner Freunde verliert das Gleichgewicht – er stürzt gegen den alten Mann, reisst ihn fast um, im letzten Moment können sich beide noch festhalten. Mein Kumpel stammelt eine Entschuldigung. Dann ist es still.
Der Mann dreht sich langsam um. Jetzt kommt's, denke ich. Jetzt wettert er los, über uns, die Jungen, die heutige Zeit. Wir sind zu laut, zu hektisch, haben keinen Anstand und überhaupt. Jetzt sehen wir sein Gesicht. Kein mürrischer Blick, kein böses Wort. Langsam hebt er die Hand. Formt Zeige- und Mittelfinger zu einem Pistolenlauf. Richtet die imaginäre Waffe auf den Übeltäter und sagt: «Peng!» – Dann beginnt er zu lachen. Ein rasselndes Lachen, hämisch, ein bisschen sarkastisch, aber vor allem: lebensfroh.
Falten des Glücks
Und wir? Wir sind baff. Wir können nicht anders, wir lachen mit. Jetzt steht der Zug, wir lassen dem alten Herrn den Vortritt. Er steigt aus, und als er davongeht, langsam, am Stock, dreht er sich noch einmal um und winkt uns zu. Ich sehe ein letztes Mal sein Gesicht, ich bemerke: Die Falten an den Mundwinkeln haben der Schwerkraft getrotzt – sie zeigen nach oben.
Dieser Mann muss in seinem Leben viel gelacht haben.