Greenwood Avenue 5046 im Stadtteil Hyde Park: Unscheinbar sieht die viktorianische Backsteinvilla aus. Sechs Schlafzimmer soll das Haus der Obamas haben und einen Weinkeller. An der rechten Mauerwand hängt einsam ein Basketball-Korb. Das kleine Anwesen strahlt Wohlstand aus, aber keinen Protz.
Multikulturelles Universitätsviertel
«Als Obama 2008 zum ersten Mal gewählt wurde, gab es Scharfschützen auf dem Dach, um das Haus zu sichern», erzählt Kineret S. Jaffe. Die Mittsechzigerin kennt jede Ecke hier im Süden von Chicago und jede Menge Anekdoten. Die Historikerin wohnt und arbeitet seit knapp 30 Jahren dort, wo die Obamas sowie die Universität von Chicago zu Hause sind. Hier lehrte Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman und baute Architekt Frank Lloyd Wright.
Zum Strassenbild gehören elegante Villen, schattenspendende Bäume und Multikulti-Flair. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wohnten in Hyde Park fast ausschliesslich weisse Familien. Mit Immobilientricks verhinderte man, dass Schwarze in die Gegend ziehen konnten. Das Oberste Gericht der USA erklärte 1948 diese Praxis für verfassungswidrig. «Es gibt in Chicago keinen anderen Stadtteil, wo Integration derart gelungen ist», sagt Kineret.
Präsidialer Haarschnitt für 21 Dollar
Weiter geht es zur South Blackstone Avenue 5234. Vor einem unscheinbaren Laden flimmert eine grelle Leuchtreklame. Drinnen, gleich am Eingang in einer Ecke: ein Friseurstuhl hinter Glas. Auf dem hat Obama höchstpersönlich gesessen und sich viele Jahre die Haare schneiden lassen. Darüber eine Fotografie: links Geschäftsinhaber Ishmael, rechts Friseur Zariff, in der Mitte der US-Präsident. Darüber der Wahlkampfslogan von vor acht Jahren: «Change we can believe in!»
Für den «Obama Cut» ist der Friseurladen bis heute bekannt: ein extra kurzer Putz, besonders hinten und an den Seiten. Schrecklich zerlumpt habe er ausgesehen, als Obama seinen Friseurladen zum ersten Mal betrat. Obama wurde Stammkunde, aber «einen Rabatt hat unser Präsident nicht bekommen», sagt Ishmael entschieden. 21 Dollar musste auch der Präsident berappen.
Date mit Glacé und Kino
Gleich um die Ecke ist der eigentliche Höhepunkt der «Obama-Tour»: das Baskin-Robbins-Eiscafé. Den Laden gibt es zwar nicht mehr, aber hier hatten die Obamas ihr erstes Date. «Ich küsste Michelle, und es schmeckte nach Schokolade», schreibt Obama in seiner Biografie. Hinterher gingen sie ins Kino und schauten Spike Lees Sozial-Drama «Do the right thing». Fortan waren sie ein Paar. Anstelle des Eiscafés befindet sich heute eine «Subway»-Filiale. Die Geschichte vom ersten Kuss ist dort auf einem Gedenkstein verewigt.
Ein Kuss, eine Eiskugel, schon geht es weiter ins «Medici», das Lieblingsrestaurant der Obamas. Die Pizzeria ist vor allem bei Studenten beliebt. Wenn man mit den Angestellten spricht, sieht man, dass sie schon hundert Male nach dem Lieblingsgericht der Obamas gefragt wurden. Die Antwort fällt entsprechend lakonisch aus: «Hamburger und Pizzen!»
Publikumsmagnet Obama
Nebenan befindet sich Obamas Lieblingsbuchhandlung «Street Books». Das Souterrain-Geschäft ist mit Büchern bis unter die Decke vollgestopft. Der Buchladen wirbt mit dem Motto: «Wo ernsthafte Leser hingehen, um Spass zu haben.» Hier signierte Obama auch seine Bücher. Bei «Hoffnung wagen» ging die Warteschlange um den Häuserblock.
Nach dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2017 wird Obama mehr Zeit zur Verfügung haben – vielleicht bekommen der Friseur und die Pizzaverkäufer ihn dann wieder häufiger zu sehen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 06.05.2016, 17:40 Uh r.