Eine holzgetäferte, geräumige Stube, dunkles Holz, in einer Ecke ein Kachelofen mit hellen Ziselierungen. In der Mitte des Raumes ein langer Tisch, zehn schlichte Stühle, auf einem sitzt Anna Pearson. Junges Gesicht, helle, blaue Augen, eine kleine Strähne über der Stirn, die Hände schmal, aber kräftig. Sie blickt beim Reden immer wieder aus dem Fenster, über die wintergrünen Hügel von Hombrechtikon, weiter hinten unter einer Dunstglocke der See. Es ist sehr still hier, in der Stube. Ein paar leckere Nussgebäcke hat sie aufgestellt, einen Espresso, ein Glas Wasser.
Tafelrunden und Marronisammeln
Anna Pearson hat ihr Kochbuch auf den Tisch gelegt. Es ist eine Anleitung zum Kochen durch die Jahreszeiten, mit Tipps zum saisonalen Einkaufen, mit Fotos von weidenden Schafen, Foodshops, den Gerichten, die sie zum Kochen vorschlägt. Zwei, drei Fotos von ihr, wie sie isst: einen Döner, konzentriert, einen Salat, mit besonnenem Blick. Das Kochbuch «zu Tisch», die gesammelten Rezepte ihrer Tafelrunden, die sie ein Jahr lang veranstaltet hat – es ist gespickt mit Erinnerungen an ihre Kindheit, Marronisammeln im Tessin, Turkey zu Weihnachten, an Picknicks mit der Familie.
Anna Pearson ist mit dem Kochen aufgewachsen, ihre Mutter war eine leidenschaftliche Köchin, aber erst nach dem Studium für Design an der Zürcher Hochschule der Künste beschloss sie, das Kochen zum Beruf zu machen.
«Gut, sauber und fair»
Anna Pearson hat sich der Slow-Food-Bewegung angeschlossen, kauft ein, kocht und isst nach dem Credo «gut, sauber und fair». Geschmackvoll soll das Essen sein, sagt sie, und ereifert sich über die Unsitte, Convenience-Food in die Mikrowelle zu stellen, statt sich mit ein paar Tomaten, etwas Knoblauch und Olivenöl eine kleine Pasta zu machen. Das Essen soll frei sein von Pestiziden und Zusatzstoffen – am liebsten kauft Anna Pearson bei den Bauern der Umgebung ein, lernt das Schwein kennen, das für sie geschlachtet wird, schaut sich um auf den Gemüsebeeten.
Sie spricht schnell, Anna Pearson. Erzählt, wie ihr Zürich zu hektisch wurde, der Lärm, das Gerenne, die vielen Termine. Sie erzählt, wie sie hier angekommen ist, in der Ruhe der ausfransenden Agglomeration, im «Terroir», also dort, wo die Produkte wachsen. Sie sei zur «Terroiristin» geworden, die möglichst alles, was bei ihr auf den Teller kommt, aus der Umgebung beziehen will.
Beerensammeln ersetzt den Fitnessclub
Zeit zu haben, bei allem, was mit Essen zu tun hat, darauf kommt es an, sagt sie. Für den Einkauf sich Zeit nehmen, und dass das Beerensammeln im Wald den Fitnessclub ersetzt. Sich Zeit nehmen fürs Kochen, weil das Zubereiten von Nahrung so etwas wie Hingabe erfordert. Und dann sollte man sich auch beim Essen Zeit nehmen, weil Genuss sich nicht entfalten kann, wenn man herunterschlingt.
Anna Pearson, den Blick durchs Fenster, wundert sich manchmal, für was Menschen sich alles Zeit nehmen – fürs Fernsehen, fürs Chatten, für allerlei Konsum. Nur fürs Essen nicht, und sie fragt sich immer wieder, warum das so ist.