Modernen Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen und sie zum Selberdenken anregen, das wollen die reformierten und katholischen Bibelexperten, die in diesem Sammelband das Bibellesen bei Jugendlichen evaluieren. Sie plädieren für eine neue «Jugendtheologie».
Ähnlich wie in der «Kindertheologie» gehen sie dabei von der Grundannahme aus, dass junge Menschen schon per se theologisch denken können. Jugendliche stellen von selbst die fundamentalen theologischen Fragen: Was soll ich? Wer bin ich? Gibt es Gott und wenn ja, wo oder wie? – Die Religionspädagogik will die Jugendlichen in ihrem Fragen nach Gott, Sinn und Moral nun noch ernster nehmen und dies zum Ausgangspunkt für ihre Bibelvermittlung machen.
Die Bibel wird zur Gesprächspartnerin
Bei der jugendlichen Sinnsuche könne die Bibel Inspiration, Erzählungen und Impulse liefern. Lehrerinnen und Lehrer müssten biblische Erzählungen im Dialog anbieten. Die Bibel ist hier also weniger Lehrmeisterin als Gesprächspartnerin. Schliesslich bewahre sie Lebensgeschichten auf, die mit den Lebensgeschichten der Jugendlichen korrespondierten, ist die Theologin Nadja Troi-Boeck überzeugt.
Weg von der Bastelpädagogik
In dieser Art Jugendtheologie zeichnet sich eine Abkehr ab von dem, was abschätzig Bastelpädagogik oder Kuschelpädagogik genannt wird. Damit sind meist die weniger geglückten Experimente der Erlebnispädagogik gemeint.
Diese wird zwar auch von den Autorinnen und Autoren des Bandes «Wenn Jugendliche Bibel lesen» nicht grundsätzlich abgelehnt. Aber Krippenspiel und für den kleinen Mose ein Bastkörbchen zu flechten mag für Kinder angemessen sein – Junge Erwachsene jedoch würden sich oft langweilen in Unterricht oder Jugend-Lagern.
Und am Ende sei es mit dem Bibelwissen auch nicht besser bestellt, beklagt die Religionslehrerin Nadja Troi-Boeck. arbeitet gerade an einer empirischen Studie zum Bibelleseverhalten bei Jugendlichen.
Religiöser Analphabetismus
Die TheologinTroi-Boeck diagnostiziert nicht nur einen biblischen Analphabetismus unter Jugendlichen, sondern auch einen religiösen. Sie kommt daher zum Schluss, dass Religionsunterricht Jugendliche bei ihren eigenen Entwicklungsthemen abholen müsse: «Ziel ist eine Bibeldidaktik, die Bibellesen als Medium der Identitätsbildung versteht und die Jugendlichen als eigene Akteure wahrnimmt.» Eine Pädagogik also, die es «den Jugendlichen ermöglicht, ihre Sinnsuche von sich aus an die Texte heranzutragen.»
Man habe in den letzten Jahrzehnten allzu sehr auf Gefühle und Emotionen gesetzt und dabei den Intellekt der Jugendlichen vernachlässigt. Das hatte Brigitte Schnegg schon 2002 konstatiert: «Und so wird um die Herzen der Kinder gebuhlt, und dabei geht vergessen, dass sie auch einen Kopf haben und überdies einen untrüglichen Instinkt für didaktische Absichten und verkrampften Moralismus.»
Ansprüche an die Jugendlichen und die Bibel
Im Vorwort des Sammlbands stimmt die Mitherausgeberin Isabelle Noth dieser Kritik zu. Die Psychologin und Theologin Noth fordert mehr Niveau für junge Leute und für die Bibel:«Nun haben Jugendliche und Bibel eine grundlegende Gemeinsamkeit: Sie sind beide anspruchsvoll.»
Manchmal, so lehrt die Praxis, übt dieses alte und viel zu dicke Buch aber auch einen ganz besonderen Reiz auf Jugendliche aus: den Reiz des Fremden. Auch damit lässt sich in Zukunft arbeiten.