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Blick in die Redaktion von BuzzFeed in New York.
Legende: Blick in die Redaktion von Buzzfeed in New York. Reuters

Gesellschaft & Religion Buzzfeed und die Zukunft des Journalismus

Die Webseite Buzzfeed gehört zu den erfolgreichsten Produkten, die das Internet zu bieten hat. Auf den ersten Blick liefert die knallige Webseite vor allem eines: Trash. Was hat das noch mit Journalismus zu tun? Journalist Thom Nagy meint: eine ganze Menge.

Thom Nagy, fangen wir mit einer Frage in Buzzfeed-Manier an: Nennen Sie mir drei Gründe, wieso Buzzfeed so erfolgreich ist.

Thom Nagy: Erstens: Viralität. Buzzfeed nutzt den Netzwerkeffekt. Die Seite wurde im Zeitalter der sozialen Plattformen gegründet und versteht es perfekt, ihre Inhalte so zu optimieren, dass sie sich möglichst schnell über Facebook und Co. verbreiten. Zweitens: Vielseitigkeit. Auf Buzzfeed ist für jeden etwas dabei: Natürlich fallen in erster Linie die leichteren Sachen wie «Listikel» (Artikel, die aus Listen bestehen) oder animierte Bilderserien auf.

Buzzfeed hat aber auch ein grossartiges Newsportal und eine «Longform-Section» mit ausführlichen Beiträgen über verrückte Themen, die man in keinem Print-Artikel der Welt findet. Und drittens: Effizienz. Dank Datenanalyse weiss Buzzfeed genau, was die Menschen im Internet wollen. Alle Artikel, die auf der Webseite erscheinen, werden zigmal analysiert. Es werden Algorithmen erstellt, die vorhersagen können, ob ein Artikel bei den Lesern ankommt oder nicht. Da wird zum Beispiel geschaut, welcher Titel am meisten Klicks bekommt oder ob ein Artikel genug geteilt wird.

Zur Person:

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Thom Nagy ist Journalist und erforscht bei der hausinternen Denkfabrik der NZZ ( NZZ Labs ) neue Möglichkeiten für die digitale Zukunft der Zeitung.

Das klingt alles stark nach Leserprogramm. Was will er denn eigentlich, der Leser von heute?

Ich habe das Gefühl, die Vielfalt der Bedürfnisse nimmt angesichts der Vervielfachung des Angebots enorm zu. Das lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Wer allein mit Sex, Crime und Katzenbildern argumentiert, der denkt definitiv zu kurz.

Trotzdem sind das die Artikel, die viele Klicks bekommen.

Meines Erachtens wird oft ein Zielkonflikt zwischen Qualität und Klickzahlen postuliert, der so gar nicht besteht. Qualitativ hochwertige Informationen können durchaus auf grosse Resonanz stossen, davon bin ich überzeugt. Sehr spannend finde ich diesbezüglich das Konzept des «Valley of Ambiguity», das die Viralität von Inhalten auf einem Kontinuum zwischen «Memes» und investigativen Formaten verortet.

Ist es nicht fatal für einen Journalisten, wenn plötzlich Klickzahlen entschieden, ob sein Artikel gut war oder nicht?

Natürlich. In der Kommunikationswissenschaft ist die Akzeptanz beim Publikum jedoch nur eine von fünf Qualitätsdimensionen. Diese werden zurzeit intensiv diskutiert. Fest steht aber, dass Klickzahlen bestimmt nicht als einziges Qualitäts-Merkmal herangezogen werden können. Eine weitere Qualitätsdimension ist Professionalität: Wenn man sich die ganzen Animationen und Listen auf Buzzfeed anguckt, dann kommt bei vielen Menschen schnell das Gefühl hoch, das sei doch kein Journalismus. Da muss ich widersprechen: Wenn Journalismus das Erzählen guter Geschichten ist, dann ist das definitiv Journalismus. Halt einfach nicht der Journalismus, den wir kennen, sondern eine freiere, spielerische Form. Unsere zentrale Aufgabe als Journalisten ist jedoch immer noch dieselbe: die Welt zu erklären. Wir haben jetzt einfach ein anderes Instrumentarium dafür, mit dem wir unsere Geschichten anders und manchmal sogar besser erzählen können.

Im Zeitalter des Internets kann jeder schreiben und veröffentlichen. Ist der Beruf des Journalisten gefährdet?

Natürlich kann heutzutage jeder im Internet Inhalte veröffentlichen, und für leichte Formate kommen so auch grossartige Sachen zustande. Man denke nur an die «Ask Me Anything»-Sektion der Webseite reddit.com. Da klinken sich Grössen wie Barack Obama ein und diskutieren mit ganz normalen Menschen über alle möglichen Themen. Aber den Journalisten als einordnende Instanz, der Erzeugnisse in den richtigen Kontext bringt, braucht es nach wie vor.

Was können Journalisten von Buzzfeed lernen?

Buzzfeed zeigt sehr schön auf, was man mit Inhalten im Internet alles anstellen kann. Das geht von der Verwendung von GIFs bei Geschichten bis hin zur Setzung eines Titels, der auch als Tweet funktioniert. Es geht nicht darum, dass wir jetzt alle animierte Katzenbilder in unseren Artikeln haben. Um Inhalte kann es im Internet nach wie vor gehen, sie müssen einfach anders an den Leser gebracht werden. Das hat Buzzfeed begriffen.

Die Angst vor einer journalistischen Zukunft, die aus animierten Bildern und Listikeln besteht, ist trotzdem spürbar. Was raten Sie all den Kulturpessimisten?

Buzzfeed ist nicht die einzige Zukunft des Journalismus. Im Netz gibt es eine unglaubliche Vielfalt von exzellenten Ideen. Sucht euch diejenigen heraus, die euren Interessen und Vorlieben entsprechen. Und bewahrt euch eure Neugier.

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