Berlin, Bahnhof Zoo – das war lange Zeit der Ort, wo Prostituierte und Drogensüchtige die eben Angekommenen um eine Mark anbettelten und Passanten darum möglichst rasch in die U-Bahn umstiegen oder strammen Schrittes zum Kurfürstendamm gingen. Das Stricher- und Drogenmilieu hat zwar bis heute seinen festen Platz hinter dem Bahnhof Zoo, aber ansonsten mausert sich die Gegend gerade zu einer neuen Trendmeile. Kürzlich zog die C/O Berlin, eine angesagte Galerie für zeitgenössische Fotografie, ins Amerika-Haus gleich hinter dem Bahnhof Zoo. Im Herbst ist die Eröffnung für das Publikum geplant.
Bikini Berlin: Von der Schmuddel-Ecke zum Designkaufhaus
Noch früher, am 3. April, soll das so genannten Bikini-Haus am Breitscheidplatz gleich bei der Gedächtniskirche seine Tore öffnen; ein langer, flacher 50er-Jahre-Bau mit langgezogener Fensterfassade, die mittlerweile denkmalgeschützt ist. Aus der einstigen Schmuddel-Ecke mit Billig-Imbissen soll nach einer aufwändigen Renovation ein Designkaufhaus werden.
Die Betreiber nennen es «Bikini Berlin» und reden von «Deutschlands erster Concept Mall» – im Gegensatz zur einfachen «Shopping Mall». Die Läden sollen nicht einfach vermietet werden: «Wir kuratieren sie», sagte einer der Verantwortlichen, Kai-Uwe Ludwig, der Berliner Zeitung. Statt Billigmarken sollen nur auserlesene coole Labels im Bikini-Haus einziehen. Die Betreiber haben ein urbanes, junges und zahlungskräftiges Publikum im Blick.
Obdachlose neben reichen arabischen Touristen
Doch bis heute ist die Gegend um den Bahnhof Zoo äusserst heterogen. Es gibt hier immer noch ein starkes Stricher- und Obdachlosen-Milieu wie zu Zeiten von Christiane F., und auf der anderen Seite das neue Luxushotel Waldorf Astoria, mit dem arabische Investoren reiche Touristen aus den Golfstaaten anziehen wollen. Felix Hoffmann, Chefkurator der Foto-Galerie C/O Berlin, findet diese Heterogenität inspirierend: «Ich kenne keinen zentralen Ort in der Stadt, wo die Welten dermassen aufeinanderknallen.»
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Die bunte Mischung ist aber auch eine Herausforderung für die Fotogalerie. Beim Einzug sammelte der Chefkurator im Vorgarten bündelweise Spritzen ein. Dennoch bereut er den Umzug an den Bahnhof Zoo nicht, sondern versucht die Vielfalt auch als Chance zu sehen: «Auch als Museum hat man eine Aufgabe, wenn man nicht Elfenbeinturm sein will. Und ausserdem ist die Fotografie ein schwellenarmes Medium, um Leute ins Museum zu bringen und sich mit Kultur auseinanderzusetzen.»
Vom übersanierten Prenzlberg zurück ins alte Charlottenburg
Nicht nur in der Gegend um den Bahnhof Zoo, auch anderswo in Charlottenburg ist spürbar, dass sich die Berlinerinnen und Berliner wieder mehr für den alten Westen interessieren. Unmittelbar nach dem Mauerfall war diese Gegend plötzlich nicht mehr attraktiv, man schaute in die aufregenden Ost-Quartiere der Stadt mit ihren verheissungsvollen Namen wie Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Aber mittlerweile sind diese Stadtviertel derart übersaniert, dass manche Berliner das alte Charlottenburg mit seinen gut erhaltenen Gründerzeitbauten wieder für sich entdecken.
Charlottenburg kommt wieder – auf leisen Sohlen
Weil hier im Gegensatz zum Osten die Eigentumsverhältnisse nach der Wende stabil geblieben sind, stiegen die Mietpreise nicht so schnell wie in andern Stadtteilen. Ein grosser Teil der Häuser gehörte sowieso der Stadt – und selbst bei den Häusern, die in privaten Händen waren, fand kein so grosser Wechsel statt wie etwa am Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain, wo nach der Wiedervereinigung frühere Besitzer ihren Anspruch anmeldeten – und die Häuser danach oft Spekulanten überliessen.
Charlottenburg kommt also wieder. Nicht mit Pauken und Trompeten, eher wie eine elegante alte Dame, die sich sagt: «Tja, seht ihr Kinder, wozu die ganze Aufregung. Hier ist es doch eigentlich doch am Schönsten.»