Im Frühling haben die Bürger, die bei PhaenoNet mitmachen, alle Hände voll zu tun. Innerhalb weniger Wochen kommt es zur Knospe, dann rasch zur Blattentwicklung, Blattenfaltung und Blüte. Das will alles ordentlich dokumentiert und auf der PhaenoNet-Internetseite vermerkt sein. Das Projekt zur Beobachtung von Pflanzen über die Jahreszeiten – von der Hasel bis zur Edelkastanie und dem Huflattich – ist eine Idee von GLOBE Schweiz. Ganze Schulklassen sowie interessierte Bürger nehmen daran teil. «Jemand sucht sich einfach eine Pflanze, an der er, sagen wir, am Weg zur Arbeit immer vorbeikommt», erläutert Eric Wyss, Co-Geschäftsführer von GLOBE, «und dann dokumentiert er die Entwicklung übers Jahr.»
Wissenschaftlich arbeitet PhaenoNet mit MeteoSchweiz sowie mit der ETH Zürich zusammen. «Daten von jahreszeitlichen Pflanzenbeobachtungen liefern auch einen wichtigen Beitrag dazu, was sich durch den Klimawandel verändert.» Je länger der Beobachtungszeitraum, je mehr Aufzeichnungen, desto präziser kann man die Veränderungen dokumentieren.
Der Bürger ist kein Stümper
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Es ist noch nicht so lange her, da tat so mancher Wissenschaftler die Beobachtungen und Vermessungen von Laien als amateurhaft ab. Damit ist es nun allmählich vorbei, erklärt Rick Bonney von der Cornell University im US-Staat New York, der dazu einen Artikel in der Fachschrift «Science» verfasste. «Es gibt zunehmend mehr Studien, die auf den Daten von Citizen Scientists beruhen. Und das in angesehenen Fachschriften.»
Eine neue, australische Studie über Riffhaie um die Pazifikinsel Palau etwa verglich die Informationen von Tauchern – also den Laien – mit den Daten, die Forscher über die an den Flossen von Haien angebrachten Sensoren sammeln. 62 Tauchführer dokumentierten über fünf Jahre lang etwa, welche Haiart sie wo und in welcher Tiefe sichteten. Die Forscher kamen zu dem Schluss: Die Zahlen der Taucher sind mit jenen der Sensoren vergleichbar.
Auch im EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizont 2020» ist die Bedeutung der Bürger-Wissenschaftler ausdrücklich festgehalten. Und damit die Organisation von künftigen Projekten länderübergreifend funktioniert, wurde die European Citizen Science Association gegründet. Eine ähnliche Organisation formiert sich gerade in den USA.
M ehr Daten und mehr Präzision dank Technologie
«Citizen Science» ist ein moderner Begriff für eine Sache mit langer Tradition. Sogenannte «Bürgerwissenschaftler», wie man sie früher nannte, hatten schon immer ein waches Auge auf ihre Umwelt. In Japan gibt es seit Jahrhunderten Aufzeichnungen über die Kirschblüte. Auch Vogelbeobachtungen gibt es seit langem. Der Unterschied zwischen damals und heute: «Technologie und das Internet erleichtern Laien das Sammeln sowie Übermitteln von präzisen Daten», erklärte Rick Bonney. Er hat an der Cornell University mehrere Citizen Science-Projekte ins Leben gerufen. Ganz besonders erfolgreich ist eBird mit monatlich fünf Millionen Einträgen von Daten und Beobachtungen aus aller Welt. «Wenn man mit einem Smartphone im Feld ist, muss man nicht erst den Ort eingeben. Das Smartphone weiss genau, wo man sich zu diesem Zeitpunkt aufhält.»
Der Bürger als gratis Handlanger der Wissenschaftler?
Sehr beliebt ist auch die Plattform Zooniverse, wo etablierte Organisationen Bürger zum Mitmachen auffordern. Die US-Wetter- und Ozeanbehörde NOAA bittet um die Analyse von Stürmen; die Betreiber von Tanzanias Serengeti-Nationalpark möchte gerne Millionen Bilder von Kamerafallen gesichtet und klassifiziert haben; unter «Explore the Moon» kann man für die US-Weltraumbehörde NASA Bilder von der Mondoberfläche beschreiben.
Die Mitarbeit an wissenschaftlichen Projekten kann für den Laien durchaus spannend sein. «Doch man soll eines nicht vergessen», meint Rick Bonney, «Citizen Scientists sind durchaus in der Lage, eigene Fragestellungen zu formulieren und Ideen dazu zu entwickeln.» Und diese drehen sich oft um ihren unmittelbaren Lebensraum. Dem schliesst sich auch Eric Wyss von GLOBE Schweiz an: Wer seine Umwelt beobachtet, der wird für Veränderungen sensibel. «Wenn Leuten auffällt, dass der Bach in ihrer Gegend schmutzig ist, dann kann man das dokumentieren. Und dann kann man auch etwas dagegen unternehmen.»