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Gesellschaft & Religion Dalai Lama: «Nenn mich einfach Bruder»

Sympathisch und erfrischend normal – so ist der Umgang des Dalai Lamas mit seinen Mitmenschen. Das zeigte sich auch beim Besuch des berühmtesten Tibeters in Bern. Dort besuchte der Dalai Lama verschiedene Gotteshäuser und sprach über religiöse Harmonie und Indien als Vorbild.

Besucher und Gäste aus Politik, Gesellschaft und Religion freuten sich über den Besuch von Dalai Lama in Bern. Dass seine Heiligkeit ausgerechnet in der Hauptstadt reiste, war natürlich kein Zufall.

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Der Dalai Lama bei «Sternstunde Religion» zu Gast: Das Gespräch können Sie hier online anschauen.

Im Haus der Religionen, das 2014 in Bern eröffnet wurde, feiern Aleviten, Christen, Hindus, Muslime und Buddhisten – demnach fünf Religionen ihre Feste alle unter demselben Dach. Drei weitere, die Bahai, Juden und Sikhs, nehmen aktiv an Veranstaltungen teil.

Aufkommende Konflikte wollen die verschiedenen Religionen friedlich und im Dialog miteinander lösen, so das Ziel des interreligiösen Hauses. Ein Anliegen, das der Dalai Lama teilt.

Aushängeschild des Friedens

Die Stimmung bei der Vorstellungsrunde der verschiedenen Religionsvertreter ist dementsprechend herzlich: Der Dalai Lama scherzt, verweilt bei einem noch schüchternen Repräsentanten etwas länger und wünscht sich anschliessend gar ein Gruppenfoto mit dem Restaurantpersonal.

Viele Menschen wollten den Dalai Lama sehen, als er letzte Woche in Bern war.
Legende: In Bern hatten sich Exil-Tibeter, Schaulustige und Passanten versammelt, um den 81-jährigen Tibeter zu begrüssen. Keystone

Tempel, Moschee und Kirche

Dann beginnt der Rundgang durchs Haus und die verschiedenen Gebetsräume der anwesenden Religionen. Nach dem Besuch im hinduistischen Tempel, der das spirituelle Oberhaupt des tibetischen Buddhismus «für einen kurzen Moment glauben liess, er sei in Südindien», betritt der Dalai Lama andächtig und korrekterweise in Socken die Moschee des Hauses.

In jedem Raum, sei es im alevitischen Dergâh, in der Kirche oder im interkulturellen buddhistischen Tempel, hält der Dalai Lama kurz inne. Er lässt sich die Räume erklären, und je nach Religion verbeugt oder bekreuzigt er sich.

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Aufruf zur Gewaltlosigkeit

«Wenn ein Mensch von einem wilden Tier getötet wird, macht uns das betroffen – wird er jedoch von einem anderen Menschen getötet, ist es Alltag», sagt der Dalai Lama und eröffnet damit die Diskussion um jene Anliegen, für die er sich seit Jahrzehnten einsetzt: Frieden und Gewaltlosigkeit.

Im Gespräch mit den Repräsentanten der im Haus vertretenen Religionen appelliert er immer wieder an das Mitgefühl und die Toleranz seiner Zuhörer. Viele Konflikte könnten mit Kommunikation und gegenseitiger Akzeptanz gelöst werden, meint er.

Man dürfe nicht vergessen, dass die einzelnen Religionen zwar nicht gleich, aber doch nicht so unterschiedlich seien, wie man oft glaube. In ihrer Botschaft der Liebe, Vergebung und Toleranz sähen sie sich ähnlich, erklärt der Dalai Lama – auch wenn die dahinterstehenden Philosophien sich voneinander unterscheiden würden.

Indien als Vorbild

In Indien beispielsweise wisse man bereits im Kindesalter, dass es verschiedene Traditionen gibt, und sowohl die einzelnen Religionen als auch die Nicht-Gläubigen würden respektiert. Die aus dieser Einstellung resultierende religiöse Harmonie wünscht sich der Dalai Lama auch für alle anderen Länder.

Er hofft, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert des Mitgefühls und des Dialogs wird – und liefert gleich selber ein Anschauungsbeispiel: Als ihn der Repräsentant der Muslime mit «Your Excellency» anspricht, meint der Dalai Lama nur: «Du brauchst mich nicht mit ‹Exzellenz› anzusprechen. Nenn mich einfach Bruder.»

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