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Ein Bassist wird während eines Konzertes von drei Fotografen porträtiert.
Legende: Schweizer Pressefotografen wollen frei arbeiten können – ohne Verbote der Musik-Manager. Keystone

Gesellschaft & Religion «Dann fotografieren wir nicht mehr»

Wenn Musiker auf Fotos von Live-Konzerten seltsam perfekt und in allen Medien gleich aussehen: Dann durfte die Presse wohl nicht frei fotografieren. Immer öfter wollen Manager der Stars vorschreiben, welche Bilder verwendet werden sollten – freies Arbeiten sei kaum mehr möglich, klagen Fotografen.

Für Fotografen sind Sommerfestivals kein Vergnügen: Ihr Job ist körperliche Schwerarbeit. Hinzu kommt, dass sie auf Festivals systematisch behindert werden. Dies beklagte kürzlich der Schweizer Journalistenverband Impressum. In einer Erklärung fordert er die Konzertveranstalter auf, dafür zu sorgen, dass Fotografen wieder frei arbeiten können.

Entweder wollten die Manager der Stars die Bilder selber auswählen, oder Fotografen würden manchmal «schlicht und einfach ausgeschlossen, damit der Agent des Stars seine eigenen Fotos vorlegen kann», schreibt Impressum. Die Gewerkschaft findet das inakzeptabel, die Bedingungen würden sich ständig verschlimmern.

Ein Boykott wirkt

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Man solle sich ein Beispiel an Norwegen nehmen. Dort wird über Stars, die ihre Bilder um jeden Preis kontrollieren wollen, gar nicht mehr berichtet. Der Boykott hat gewirkt: Fotografen können in Norwegen wieder frei arbeiten.

Wie die Situation in der Schweiz aussieht, weiss Anna Suter von der Redaktionsleitung der Schweizer Fotoagentur Keystone. Auch sie ist besorgt. Und sie hofft, dass der Druck auf Veranstalter zunimmt.

Anna Suter, auf welche Weise werden die Fotografen eingeschränkt?

Sie müssen immer mehr Verträge unterschreiben, in denen festgelegt wird, wann und wie lange sie fotografieren dürfen. Das wurde zwar immer schon geregelt. Aber viel häufiger kommt dazu, dass wir Verträge über die Verwendung der Fotos unterschreiben müssen. Es gibt Bestimmungen, dass die Fotos nur einmal veröffentlicht werden oder nicht archiviert werden dürfen. Oder wir müssen sämtliche Rechte der Bilder an die Künstler abtreten, was für uns als Agentur nicht möglich ist.

Veranstalter: nur Einzelfälle

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Für SMPA , den Branchenverband der Konzertveranstalter, betrifft die Kritik Einzelfälle. Es gebe bei Festivals Künstler, die spezielle Verträge unterzeichnen liessen. «In Einzelfällen kam es dazu, dass akkreditierte Fotografen vom Künstler nicht zugelassen wurden», sagt Stefan Breitenmoser vom SMPA. In der Regel aber seien dies Amateurfotografen.

Laut der Kritik des Journalistenverbands gehen die Vorgaben manchmal so weit, dass sogar der Blickwinkel vorgegeben ist, aus dem die Künstler fotografiert werden wollen. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Ja, das haben wir auch schon erlebt. Erschwerend ist zusätzlich, dass diese Verträge meistens erst im letzten Moment vorgelegt werden. Der Fotograf ist schon vor Ort, wenn jemand aus dem Management sagt: «Da müsst ihr noch unterschreiben». Innerhalb von kürzester Zeit muss man diesen Vertrag anschauen und verstehen, was genau die Bestimmung ist. Die Verträge sind in der Regel in juristischem Englisch abgefasst. Das erschwert die Situation.

Weshalb nehmen diese Einschränkungen zu?

Die Künstler wollen die Kontrolle über ihr Image haben. Sie wollen das Bild, das von ihnen verbreitet wird, möglichst steuern können. Für mich persönlich ist es nicht ganz nachvollziehbar, weil ja gleichzeitig Tausende von Amateurbildern kursieren. Fast jeder Konzertbesucher macht heute private Bilder und verbreitet sie über Social Media. Ob dann professionelle Pressefotografien dem Image eines Künstlers mehr schaden als ein schlecht aufgenommenes Handybild, sei dahingestellt.

Was können Fotografen dagegen tun?

Letztendlich nicht viel mehr, als nicht zu fotografieren. Wenn wir als Agentur solche Verträge haben, die wir nicht akzeptieren können, dann fotografieren wir auch nicht. Und informieren unsere Kunden, dass wir an jenem Konzert nicht fotografieren können. Das gibt dem ganzen Problem Öffentlichkeit. So wird hoffentlich auch der Druck irgendwann grösser.

Hat es bereits genützt?

Wirklich etwas nützen würde nur, wenn alle Journalisten am gleichen Strick ziehen. Wenn alle Fotografen nicht mehr fotografieren würden.

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