Eines ist klar: Bischof Vitus Huonder aus Chur polarisiert. Sein konservativer Kurs ruft Reform-orientierte Katholiken auf den Plan, die Vitus Huonder am liebsten von seinem Bischofsstuhl stossen möchten. Für den 9. März rufen sie deshalb zu einer Demonstration auf. Gleichzeitig melden sich seine Unterstützer zu Wort und verteidigen ihn gegen die Angriffe. Vitus Huonder selbst bedankte sich kürzlich für die vielen positiven Zuschriften.
Links zum Artikel
Mittelmass ist für Journalisten langweilig
Dass konservative und progressive Katholiken das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, ist nichts Neues. Neu ist aber, wie intensiv die Debatte geführt wird und wie oft auch die Medien darüber berichten.
Das sei kein Zufall, meint Charles Martig, Geschäftsführer des katholischen Mediendienstes der Schweiz. Das Bistum Chur besetze absichtlich eine Extremposition, denn nur so würden die Medien auf den Bischof aufmerksam. Das Mittelmass sei für Journalisten nicht spannend. Nur provokative Köpfe würden Emotionen und Spannung bringen.
Ein PR-Profi waltet in Chur
Im Bistum Chur ist jemand am Kommunikations-Hebel, der ganz genau weiss, wie das Spiel läuft. Der Mediensprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, ist ein PR-Profi, der vorher im Bankensektor tätig war. Er weiss, welche Botschaften ankommen und kommuniziert diese auch sehr offensiv.
Die Botschaft, die von Vitus Huonder kommt, ist sehr einfach verständlich: Vitus Huonder vertritt den «richtigen» Katholizismus, er ist konservativ, er ist klar in seinen Aussagen. Bei etlichen Gläubigen kommt diese Linie gar nicht gut an. Einige drohen sogar mit Austritt. Dass sein Verhalten zum Austritt aus der Kirche bewegt, kann doch nicht im Interesse eines Bischofs sein, würde man denken. Charles Martig ist da anderer Meinung.
Kontrastgesellschaft zur Volkskirche
Beitrag zum Thema
Es gebe die Tendenz innerhalb der römisch-katholischen Kirche, eine Kontrastgesellschaft zur Volkskirche zu bilden: eine abgegrenzte Gruppe mit eigenem Weltbild und eigenen Regeln.
Diese Tendenz gibt es auch in anderen Religionsgemeinschaften. Einzelne muslimische oder jüdische Gruppen behaupten auch, die reine Lehre zu vertreten. Das werde oft als Fundamentalismus bezeichnet, so Charles Martig. Doch eigentlich gehe es nur darum, die eigene Identität durch Abgrenzung zu stärken. Austritte nehmen diese Gemeinschaften – und so vielleicht auch Vitus Huonder – in Kauf.
Huonder-Gegner spielen nicht mit
Viele Katholiken wollen aber nicht einfach aufgeben. Sie wünschen sich eine Kirche für alle, die nicht nur für Konservative Platz hat. Das tun sie öffentlich kund, Demonstrationen sind geplant. Lassen sich damit die Gegner von Vitus Huonder auf dasselbe Spiel mit Provokation und Medienaufmerksamkeit ein?
Eben nicht, findet Charles Martig, denn die Gegner von Vitus Huonder würden nicht in Chur demonstrieren, sondern in St. Gallen, wo der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz wohnt. «Sie wenden sich also an die Bischöfe und nicht einfach gegen Vitus Huonder. Sie appellieren so an alle Bischöfe und umgehen gerade die Fokussierung auf den Bischof von Chur.»
Und die Bischofskonferenz schweigt
Die Bischofskonferenz hat sich bis jetzt aus dem Konflikt rausgehalten. Obwohl Vitus Huonder sich oft gegen seine Amtskollegen gewandt hat, haben sich die Bischöfe nicht dazu geäussert. Zuletzt so geschehen während des Abstimmungskampfes um die Abtreibungsfinanzierung. Die Bischöfe empfahlen ein Nein, Vitus Huonder schwamm gegen den Strom und verkündete die Ja-Parole.
Das schwäche die Autorität der Bischofskonferenz. Doch will sie Vitus Huonder etwas entgegenhalten, dann müsse sie ihre Zurückhaltung ablegen, meint der Kommunikationsexperte Charles Martig. Auch die Bischofskonferenz müsse ihr Profil schärfen und offensiver kommunizieren. Sonst werde weiterhin nur gehört, wer am lautesten rufe, meint Charles Martig. Und das ist im Moment eindeutig das Gespann Huonder-Gracia.