Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi sind Geschichte. Im Kampf gegen den IS, den «Islamischen Staat», kommt es zu einer Annäherung zwischen dem Westen und dem Iran. Syrien oder Irak könnten von der Landkarte verschwinden. Und Länder wie die USA, die aus geopolitischen Interessen immer wieder in der Region interveniert haben, vermitteln den Eindruck, als würden sie sich nun am liebsten heraushalten.
Auch jenseits der Tagespolitik zeichnet sich ab, dass die 1916 mit einem internationalen Abkommen etablierte Nahost-Ordnung an ihr Ende gelangt sein könnte. Ein Umbruch ereignet sich, wie ihn die Welt seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr erlebt hat.
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Flüchtlinge als Zeichen des Zerfalls
Der Nahe Osten zerfällt also. Sinnbildlich für den Zerfall ist, dass die Menschen millionenfach fliehen müssen. Sie rennen im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben. Vor allem Syrien steht für die «grosse Tragödie dieses Jahrhunderts», wie es António Guterres, UN-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen, sagte.
Gut vier Millionen Syrer haben seit 2011 ihre Heimat verlassen und in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien, und Irak Zuflucht gesucht. Alleine das kleine Königreich Jordanien hat schon mehr als 750'000 Kriegsflüchtlinge aufgenommen. 80'000 von ihnen sind in Zaatari untergekommen, dem grössten Flüchtlingslager, das die Vereinten Nationen in der Region aufgebaut haben. Dort sind sie zwar sicher vor dem Krieg daheim, aber sie sind ohne Zukunft. Besonders Kinder, Alte und Kriegsversehrte tun sich schwer in den beengten Verhältnissen im Zeltlager.
Die Umwälzungen haben erst begonnen
So unsicher die Zukunft der Syrien-Flüchtlinge ist, so unsicher ist die Zukunft der Region. Laut dem renommierten Nahost-Experten Volker Perthes «erleben wir das Ende des Nahen Ostens, wie wir ihn kennen».
Syrien und den Irak werde es wohl in alter Form nie mehr geben, so Perthes. Ägypten sei zwar wirtschaftlich und demografisch gesehen weiterhin der wichtigste arabische Staat, aber er könne diese Rolle nicht wahrnehmen. Ägypten sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt, weil es sein Militär im Innern brauche.
Die Mittelmächte Iran und Saudi-Arabien hingegen würden immer mehr Einfluss in der Region gewinnen. Die Kurden erhielten im Norden des Irak wohl ihren eigenen Staat. Zudem, so Perthes, werde der israelisch-palästinensische Konflikt im Nahen Osten eine andere Rolle spielen: «Er bleibt vor allem für Israeli und Palästinenser wichtig. An regionaler Bedeutung hat er verloren.»
Eine Prognose, wie es im Nahen Osten in zehn Jahren genau aussehen werde, wagt Peters nicht. Aber für ihn ist klar: «Die Umwälzungen haben gerade erst begonnen und werden sicher noch eine Generation lang andauern.»