- Die Auswirkungen von Kränkungen sind in der Wissenschaft noch nicht gross untersucht worden.
- Die Demütigung ist die folgenschwerste Form der Kränkung. Sie ist gewollt und dient der Machtausübung.
- Während die «Schwarze Pädagogik», die Brechung des kindlichen Willens, langsam überwunden zu sein scheint, entstand in den letzten Jahren eine neue Form der Demütigung: Cybermobbing.
Die Bilder der Demütigung sind nicht aus dem Gedächtnis zu löschen. Im Internet waren sie zu sehen und in der Tagesschau: Die irakischen Gefangenen in Abu Ghraib, gefesselt, an die Wand gestellt, mit Kapuzen über dem Kopf, von amerikanischen Soldaten zu Tode bedroht, blossgestellt, entwürdigt, seelisch nachhaltig verletzt.
«Die Demütigung ist die tiefste, bösartigste und folgenschwerste Form der Kränkung». Das sagt Reinhard Haller. Er ist Professor für Psychiatrie und kennt sich aus mit verletzten Seelen, die entweder kriminell oder krank geworden sind.
Die Macht der Kränkung
Haller hat ein wichtiges Buch geschrieben. «Die Macht der Kränkung» ist ein Augenöffner für ein psychologisches Schattenthema.
Kränkungen sind nämlich weder in der Psychologie noch in der Kriminologie ein explizites Forschungsthema.
Dabei, so sagt der Autor ist Kränkung die Wurzel des Destruktiven. Und das weist er nach. Sehr fundiert und trotzdem gut verständlich. Besonders eindringlich ist ein Kapitel über die vernichtende Kraft der Demütigung.
Seelenmord
Demütigung ist ein «man made disaster». Sie ist Entwertung, Verletzung, Beschämung und Diffamierung in einem. Sie ist immer eiskalt inszeniert.
Anders als manch andere Kränkung passiert sie nie einfach so aus Versehen. Sie ist gewollt und dient der Machtausübung.
Sie macht Kinder gefügig, Frauen schwach und verängstigt Untergebene. Sie unterjocht Menschen anderer Hautfarbe. Sie wahrt den Abstand zwischen Arm und Reich.
Haller, auch ein Spezialist für Suizid, weist in seinem Buch nach, wie mörderisch Demütigung ist. Manch einer bringt sich um, weil der die Schmach nicht mehr erträgt. Andere töten, um sich zu rächen. Ein für alle Mal.
Einsteins Wut
Der Physiker und Mathematiker Albert Einstein hat schwer gelitten in der Schule. Er war kein gewöhnlicher Schüler. Einmal hat er einen Stuhl nach einem Lehrer geworfen.
Zu sehr wurde er von ihm gekränkt. Später hat er klarsichtig notiert: «Demütigung, beziehungsweise geistige Unterdrückung durch verständnislose Lehrer tut schweren untilgbaren Schaden am kindlichen Gemüte, der gar oft das spätere Leben verhängnisvoll beeinflusst.»
Die «Schwarze Pädagogik», die Brechung des kindlichen Willens scheint langsam überwunden zu sein. Die UNO Kinderrechtskonvention kann auch verstanden werden als globales Regelwerk gegen die Kränkung kleiner Menschen.
Cybermobbing
In der vernetzten Gesellschaft gibt es eine neue Form der Demütigung: Cybermobbing. Mit der Blossstellung vor der ganzen Welt, auf unbeschränkte Zeit, kann jemand fertig gemacht werden. Ohne physische Präsenz. Ganz clean und cool.
Auch darüber schreibt der österreichische Psychiatrieprofessor. Sein Buch verstört und sensibilisiert. Es lässt beispielsweise das Charlie Hebdo Drama als fatale Kränkungsverarbeitung erscheinen.
Es vermittelt eine neue Lesart des Weltgeschehens. Was nicht heisst, dass durch das bessere Verstehen, gleich auch Pardon gegeben wird.