Als Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur Basel-Stadt, 2013 die Subventionen für die Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) und die Freunde Alter Musik (FAMB) ab 2014 strich, formierte sich subito politischer Widerstand. Unterschriften wurden gesammelt, Petitionen eingereicht und der Grosse Rat Basel-Stadt überwies ein Postulat, das verlangt, die Subventionskürzungen von jährlich 50‘000 Franken (IGNM) und 28‘000 Franken (FAMB) wieder rückgängig zu machen.
Als konzilianter Kulturförder-Profi ärgert sich Philippe Bischof nicht darüber. Den Protest versteht er als Zeichen der Liebe zum Bestehenden. «Das wird letztlich eine Verhandlungssache sein über kulturelle Werte. Wenn sich dann eine Mehrheit für den Erhalt der Subventionen entscheidet, dann ist das auch ein Abbild der Gesellschaft. Und dieser Entscheid ist selbstverständlich zu akzeptieren.»
Kulturelle Werte sind Verhandlungssache
Ein Orkan der Empörung ist in den letzten Monaten auch über den Zürcher Kulturchef Peter Haerle hinweggefegt. Die Nachricht, dass die Stadt auf die Literatur-Ausstellungen im Strauhof verzichten und einen grossen Teil des freiwerdenden Geldes in das Junge Literaturlabor JULL investieren will, versetzte Freunde der Literatur im In- und Ausland in Aufregung. Der Kulturchef krebste in den vergangen neun Monaten peu à peu zurück. Das Resultat: Im Strauhof werden auch in Zukunft Literaturausstellungen zu sehen sein. Allerdings wird dann eine private Trägerschaft diese Ausstellungen kuratieren. Die Stadt zahlt jährlich 425‘000 Franken. Und das JULL, auf das Haerle so stolz ist, wird mit weniger Geld auskommen müssen als ursprünglich versprochen.
Das Neue hat kaum Chancen
Die beiden Beispiele Basel und Zürich zeigen: Für städtische oder kantonale Kulturchefs ist es schwierig, in der Kulturlandschaft neue Akzente zu setzen. Kurzum: die Kulturförderung pflegt in erster Linie das Bewährte, das Neue hat kaum Chancen.
«Etwas, das lange Bestand hatte, hat immer eine stärkere Lobby als das Neue und Unbekannte», erklärt Margrit Bürer, Leiterin des Amtes für Kultur im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Als Bürer vor acht Jahren das neu geschaffene Kulturamt in Herisau antrat, kannte sie das Dilemma der städtischen und kantonalen Kulturchefs: Weil 85 bis 95 Prozent der Kulturgelder der öffentlichen Hand gebunden sind, ist der Gestaltungsspielraum eng. Neue Akzente gibt’s in der Kulturförderung nur über die Verlagerung von Geld – und das ist, wie die jüngsten Beispiele in Zürich und Basel zeigen, unmöglich. Wer es wagt, Altes zugunsten von Neuem in Frage zu stellen, wird sofort zurück gepfiffen.
Schlauer Verteilschlüssel
Im Appenzeller Kulturkonzept hat Margrit Bürer darum einen schlauen Verteil-Schlüssel eingeführt: Nur 60 bis 70 Prozent der Kulturgelder dürfen gebunden sein, 30 bis 40 Prozent sind freie Mittel. So bleibt der Gestaltungsspielraum gross und ein Anspruch auf Besitzstandswahrung kann sich kaum etablieren.
Mit einem gewissen Neid blicken Bürers Kollegen in Basel und Zürich nach Appenzell Ausserrhoden. Auch Hans Ulrich Glarner, Leiter des Amtes für Kultur Kanton Bern, findet das Konzept einmalig und interessant. Er gibt allerdings zu bedenken, dass sich dieser Verteilschlüssel nicht auf Städte und Kantone mit grossen Kulturinstitutionen übertragen lässt. Grosse Kulturinstitutionen seien einfach teuer und bräuchten Planungssicherheit.
«Verträge des Vertrauens»
Darum denkt Hans Ulrich Glarner über eine Alternative nach: über sogenannte Vertrauensverträge. Die Idee: Neue Kulturprojekte erhalten eine befristete Unterstützung. Nach drei, vier Jahren kommen neue Initiativen zum Handkuss. «Ich finde es wichtig, dass man nicht einfach den Besitzstand wahrt, sondern auch den vielen, hervorragend ausgebildeten jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Möglichkeit gibt, sich mit neuen Projekten zu profilieren.»