Zwischen Burgen und Felsen, auf denen blonde Nixen singend den Schiffern den Tod bringen, schlängelt sich der Fluss durch das idyllische Mittelrheintal. Heinrich Heine besang die Loreley, Richard Wagner liess sich von den Sagen um das Rheingold inspirieren. Maler wie William Turner und Victor Hugo pilgerten an den Rhein, die Touristen folgten.
Die Ausstellung in Bonn schwelgt jedoch nicht in den Klischees der Rheinromantik. Sie erzählt vielmehr, dass diese eine Erfindung des 19. Jahrhunderts war.
Als nach der Niederlage Napoleons die französischen Rheinprovinzen an Preussen fielen, bauten diese die Burgen wieder auf, vollendeten den Kölner Dom und machten aus «Vater Rhein» eine Propagandamaschine für das Deutsche Reich.
Strom des Handels
«Der Rhein – eine europäische Flusslandschaft» ist eine kulturgeschichtliche Ausstellung. Sie verschweigt nicht, dass viele Künstler von dem Strom inspiriert wurden: Bilder von Turner, Max Ernst oder Anselm Kiefer sind zu sehen, die «Loreley» ist ebenso zu hören wie «Das Rheingold».
Aber es wird eben auch gezeigt, wie aus dem Sand das Gold herausgewaschen wurde, aus dem die Herzöge von Baden ihre Dukaten prägten, und wie wichtig der Strom für den europäischen Handel wurde.
Vor einer Ansicht der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz ist ein grosses Floss auf dem Rhein zu sehen. Die Kuratorin Marie-Louise von Plessen erläutert: «Sie sehen die hohe Anzahl an Ruderknechten und die Hütten, die sie sich auf dem Floss gebaut haben, um sich vor Unwetter zu schützen. Die Baumstämme aus dem Schwarzwald wurden als Flösse bis ins niederländische Dordrecht befördert, dort auseinandergenommen und zu Bau- oder Schiffsholz verwendet. Das war ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, weil alle Waren in Fässern verpackt auf diesen Flössen transportiert wurden.»
Der Rhein als Pfaffengasse
Die «Flussbiografie» beginnt mit einer Leihgabe aus dem Paläontologischen Institut der Universität Zürich: 150 Millionen Jahre alte Fossilien aus den vorderrheinischen Kalken. Mit einem grossen Zeitsprung wird dann der Strom im Römischen Reich vorgestellt: der Flussgott mit den zwei Hörnern – weil der Rhein sich an der Mündung gabelt.
In dieser Zeit wurde der Rhein zur Grenze gegen die Germanen. An seinem Verlauf entstanden Militärlager und Kastelle, und bis 1945 war der Fluss als Grenze zwischen Frankreich und Deutschland immer wieder Kriegsschauplatz.
Die militärische Infrastruktur der Römer war aber auch die Basis für die Entwicklung von Handelsstützpunkten und Städten. Später entstand von Chur bis Utrecht eine Achse der christlichen Missionierung mit Kathedralen und Klöstern, von Kaiser Maximilian spöttisch die «Pfaffengasse» genannt.
«Dadurch entstand eine ungeheure Verdichtung an Bildungszentren», meint Marie-Louise von Plessen, «die auch zu den frühen Universitätsgründungen und zu einem regen Austausch von Ideen führten.»
Leihgaben aus der Schweiz
Aus dem christlichen Mittelalter ist reiches Anschauungsmaterial vorhanden: Aus Köln und Speyer, aus St. Gallen und Chur kamen Reliquienkästchen und Evangeliare, Kruzifixe und Heiligendarstellungen in die Bonner Ausstellung. Sie ist eine Augenweide, auch durch die Architektur, denn diese ist einem vielfach gewundenen Fluss nachempfunden. So sah der Rhein einmal aus – ein Bild von Peter Birmann aus dem Kunstmuseum Basel zeigt die idyllische Auenlandschaft.
Im 19. Jahrhundert wurde der Fluss zwischen Basel und Mainz zu einer schnurgeraden Wasserstrasse begradigt und erhielt so das Gesicht, das er bis heute zeigt.