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Gesellschaft & Religion Der Süden Italiens droht akademisch auszubluten

Wirtschaftlich schwach, sozial und kulturell benachteiligt und in der Bildung weit abgeschlagen: Süditalien leidet unter chronischem Desinteresse seitens der Politik. Bildungsstätten wie Universitäten und Hochschulen verkümmern zusehends – doch gerade gute Fachkräfte bräuchte die Region.

Italiens Süden, der so genannte «Mezzogiorno», ist seit mehr als 100 Jahren der wirtschaftlich, sozial und kulturell benachteiligte Teil Italiens. Seit der italienischen Staatsvereinigung in den 1870er-Jahren ist es den Regierungen nicht gelungen, dieses eine Drittel des Staatsgebietes gleichermassen zu entwickeln wie das in Mittel- und Norditalien der Fall war.

Ein Weg, der zwischen zweistöckigen, orangen Häusern hindurch führt.
Legende: Der Campus der staatlichen Universität in Kalabrien: Sie wurde erst 1972 gegründet. Wikimedia/Corneille

Wer will schon im Mezzogiorno studieren?

Das gilt auch für den Bildungsbereich. Egal, welche Regierung in Rom das politische Ruder in den Händen hält: Niemand schafft es, das Bildungsangebot, die Bildungsstätten und die Bildungsförderung zu modernisieren, auszubauen und zu finanzieren. Die Folge: Immer weniger junge Leute wollen im Süden studieren. Wissenschaftlicher Nachwuchs zieht das Ausland vor.

Verschiedene Berichte über die Qualität italienischer Hochschulen, wie jetzt jener der Wirtschaftszeitung «Il sole 24 ore», zeigen, dass bis auf einige wenige Ausnahmen die Universitäten des Südens leiden. Es gibt zu wenig Geld für die Instandhaltung der Gebäude, für Reparaturen und Neuanschaffungen von wichtigen technischen Geräten, vor allem für wissenschaftlich-technische Fakultäten. Die Gehälter stagnieren und für die wissenschaftliche Forschung fehlt jegliches Geld.

Chronisches staatliches Desinteresse

Was besonders erstaunt, ist das chronische Desinteresse seitens Politik. Seit Jahrzehnten wird die generelle Benachteiligung des Mezzogiorno beklagt. Gleichzeitig weisen Politiker darauf hin, dass nur Investitionen in die Bildung und in universitäre Forschungsbereiche eine Wende bringen könnten. Doch es bleibt bei Worten.

Ein Universitätscampus, auf dem mehrstöckige Flachdach-Häuser in weiss stehen.
Legende: Die Universität von Salerno ist mit die älteste in Europa, mit der Verstaatlichung 1968 wurden die Fakultäten ausgebaut. Wikimedia/Andrea Durante

Sizilien geniesst seit 1945 als autonome Region, wie auch das Südtirol, einen politischen und finanziellen Sonderstatus. In den vergangenen Jahren pumpte die EU Dutzende Milliarden Euro nach Sizilien. Doch nicht nur die wirtschaftliche, verkehrstechnische und soziale, sondern auch die bildungspolitische Situation ist so schlecht, dass auch Gymnasiasten am liebsten abwandern würden – um in Mittel- oder Norditalien ihr Abitur zu machen.

Nachwuchswissenschaftler nehmen, wenn möglich, lukrative Arbeitsangebote im Ausland an. Nur wenige kehren zurück nach Italien. Bildungspolitiker sprechen immer wieder von finanziellen Anreizen, um die besonders begabten «Flüchtlinge» wieder an heimatliche Universitäten zurückzulocken. Doch auch wenn das gelingt, kommt dieser Nachwuchs nur an Hochschulen in Mittel- und Norditalien zurück. Der Süden geht leer aus.

Sparen auf Teufel komm raus

Die Regierung will so schnell wie möglich bessere Wirtschaftszahlen präsentieren. Deshalb wird an allen Fronten gespart. Dass Hochschulen, gezielt gefördert, Investitionen in die Zukunft des Landes darstellen, ist ein Argument, das man in Rom anscheinend noch nicht begriffen hat.

Doch das soll sich bald schon ändern. Wenn das Land aus dem gröbsten raus ist, so erklärte kürzlich Megareformer Matteo Renzi, solle intensiv in die Bildungs- und Forschungspolitik investiert werden. Das erklärten aber auch schon Dutzende seiner Vorgänger – und nichts geschah.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 10.09.2015, 16:45 Uhr

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