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Foto einer demonstrierenden Masse: Viele junge Menschen schreien oder erheben ihre Hände.
Legende: Demonstranten am 17.12.2012 in Sidi Bouzid, Süd-Tunesien. Keystone

Gesellschaft & Religion «Der Unmut unter den jungen Tunesiern ist immer noch riesig»

Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass die Menschen in Tunesien ihren Diktator Ben Ali davongejagt haben. Die tunesische Journalistin Jalila Sakhri blickt zurück auf die Zeit des Umschwungs und erzählt von ihrer Arbeit als Berichterstatterin.

Die 29-jährige Fernsehjournalistin Jalila Sakhri war Aktivistin und Beobachterin der Revolution. Wenn man sie nach der Stimmung fragt, die das tunesische Volk vor zwei Jahren ergriffen hat, beginnen ihre Augen zu leuchten. Denn die Revolution hat auch ihr Leben als junge Journalistin verändert. Die 29-Jährige begann noch unter Ben Ali beim Staatsfernsehen zu arbeiten - in der Sport-Abteilung, obschon sie sich für Politik interessierte. Aber in den wichtigen Redaktionen sassen alte Herren, Anhänger von Ben Ali.

Die Revolution als Chance für junge Journalistinnen

Portrait von Jalila Sakhri, die freundlich in die Kamera schaut.
Legende: Jalila Sakhri bei der Ausstellung «Karama! Die arabische Revolution und ihre Folgen» in Bern. Daphna Paz

Erst als die Menschen im Januar vor zwei Jahren begannen, auf die Strasse zu gehen, da schickten die alten Redaktoren die Jungen hinaus, um die Aufständischen zu interviewen. Denn diese schienen weniger verdächtig, als die bekannten Gesichter der älteren regimetreuen Journalisten.

Jalila Sakhri ging mit Mikrofon und Kamera auf die demonstrierenden Altersgenossen zu. Doch diese waren zunächst skeptisch, ob das Staatsfernsehen den Anliegen der Jungen tatsächlich eine Stimme geben wollte. «Hunderte von Jungen umrundeten mich und sagten, ich solle abhauen, schliesslich arbeite ich für Ben Alis Sender», erzählt die junge Journalistin im Rückblick. «Ich sagte ihnen dann: ‹Ich bin ja so jung wie ihr, ich kann gar nicht für Ben Ali gearbeitet haben.›»

Neue Fernsehformate

Ausstellungshinweis

Kurz nach dem Umsturz wurden beim tunesischen Fernsehen neue Formate geschaffen, Formate von jungen Menschen für junge Menschen. Jalila Sakhri war eine Zeitlang Produzentin bei einer Sendung namens «Schabab online», auf Deutsch «Jugend online». Heute ist sie Reporterin bei einer Polit-Diskussionssendung.

Tunesische Junge kämpfen immer noch um ihre Würde

Nicht alle jungen Tunesier hätten so viel Glück wie sie, sagt die Journalistin. Zwei Jahre nach Beginn der Revolution zieht sie eine gemischte Bilanz. Zwar gebe es jetzt Meinungsfreiheit – aber die Jugendarbeitslosigkeit sei immer noch gleich gross. Der Unmut unter den jungen Tunesierinnen und Tunesiern sei heute immer noch riesig, was sich auch im Internet manifestiere, sagt Jalila Sakhri. Manche frustrierten Uni-Abgänger hätten sogar demonstrativ ihre Diplome zerissen, wert seien sie ja eh nichts. «Den Jungen geht es auch um ihre Würde, oder auf Arabisch ‹Karama›'», betont die junge Journalistin. «Darum sprechen wir hier nicht von der Jasmin-Revolution, sondern lieber von der ‹Revolution der Würde›.»

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