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Gesellschaft & Religion Die politische Karikatur hat wichtige, bissige Stimmen verloren

Die vier getöteten Journalisten des Satiremagazins «Charlie Hebdo» hatten politische Durchschlagskraft. Frankreich ist ein Land, in dem Provokation Tradition hat. Die Karikaturisten zielten mit ihren Zeichnungen dahin, wo es schmerzte. So auch mit ihren Mohammed-Karikaturen.

Sendehinweis

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«Sternstunde Philosophie» befasst sich am Sonntag, 11. Januar um 11:00 Uhr in einer eigenen Sendung mit dem Anschlag auf «Charlie Hebdo». Zu Gast in der Sendung sind «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle, der Philosoph Francis Cheneval und Marco Ratschiller, Chefredaktor Satiremagazin «Nebelspalter».

Unter den Opfern des Anschlags auf das Pariser Satiremagazin «Charlie Hebdo» sind vier wichtige Karikturisten in Frankreich: der Chefredaktor Stéphane Charbonnier, der unter dem Kürzel «Charb» bekannt war. Ebenfalls dem Attentat zum Opfer gefallen sind Jean Cabut («Cabu»), Bernard Verlhac («Tignous») und Georges Wolinski.

Frankreich liebt seine Nestbeschmutzer

Gemäss Comicexperte Christian Gasser waren insbesondere Jean Cabut und Georges Wolinski absolute Grössen in Frankreich. Seit Jahrzehnten haben sie in unterschiedlichsten Zeitungen die Gesellschaftspolitik und den französischen Way of Life kommentiert. Sie wurden richtiggehend verehrt.

Generell liebe man in Frankreich – im Gegensatz zu anderen Ländern – Nestbeschmutzer wie politische Karikaturisten. Man liebe sie nicht nur, man brauche sie sogar und höre auf ihre Stimmen. Leute wie Cabut und Wolinski konnten Meinungen bilden und provozieren, und dabei auch unterhalten, so Gasser. Sie seien Teil der französischen Debattierkultur: «Das ist ein sehr grosser Verlust, dass diese alten Männer, die immer noch sehr bissig und sehr scharf waren, nun plötzlich nicht mehr da sind.»

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Als Karikaturist dahin gehen, wo es schmerzt

«Charlie Hebdo» ist eine politische Zeitung, die immer wieder provoziert hat und die Provokation liebt. Das gehört zur französischen Tradition. Inwiefern das Attentat die Szene nun verändert, ist schwierig abzuschätzen. «Man kann es nun wohl keinem Karikaturisten verdenken, wenn er sich jetzt dreimal überlegt, ob er einen Witz auf Kosten eines gewissen Propheten machen soll oder nicht», so Gasser.

Zum anderen gäbe es in Frankreich in der Karikaturistenszene einen starken Widerspruchsgeist. Dieser habe bei «Charlie Hebdo» auch dazu geführt, nach den Ereignissen mit den Mohammed-Karikaturen sich dieses Themas zu bemächtigen und es mit einer gewissen Konsequenz und Schonungslosigkeit auf die Spitze zu treiben. Christian Gasser: «Man will sich nicht unterkriegen lassen von irgendwelchen Autoritäten. Man geht in Frankreich als Karikaturist dahin, wo es richtig wehtut.»

Für Gasser könnte der Anschlag auch zu einer gewissen Trotzreaktion führen. Es sei aber eindeutig noch zu früh zu wissen, was der Terroranschlag für Spuren hinterlassen wird. Für Gasser ist aber klar, dass es in der politischen Karikatur in Frankreich tiefe Spuren sein werden.

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