Es war ein Glücksfund sondergleichen, auf einer Anhöhe zwischen Lausanne und Yverdon. Dort, wo die Firma Holcim eigentlich Kalk abbauen wollte, machten Archäologen vor sieben Jahren eine Entdeckung, welche die Forscher begeisterte und bis heute rätseln lässt: Eine Vielzahl von Knochen von Menschen aus der Eisenzeit, die brutal zu Tode gekommen sein mussten.
In mehr als 200 Schächten, die sich bis zu sechs Meter tief in den Boden graben, sind sie verteilt: Schalen aus Bronze, Tontöpfe, Eisengeräte, Mühlsteine, Tierknochen und vor allem – viele Menschenknochen. Was ist dort geschehen?
Rätselraten um Knochenfund
«Das wüsste ich auch gerne», sagt Gilbert Kaenel und lacht fast entschuldigend. Kaenel ist Keltenspezialist und Direktor des kantonalen Museums für Archäologie und Geschichte. In seinem Museum konserviert und restauriert er die mysteriösen, rund zweitausend Jahre alten Funde von Mormont. «Wir glauben, dass hier eine Art Ritual stattgefunden hat», sagt Kaenel.
Fest steht: Es hat an jener Stelle keine Siedlung gegeben, dazu fehlen Häuser und Strassen. Auch ist es kein eigentliches Gräberfeld, wie man sie sonst aus der Spätkeltischen kennt.
Die grosse Ausnahme
Hier hat man Überreste von Menschen gefunden, die scheinbar achtlos in eine Grube geworfen wurden. Andere wurden richtiggehend inszeniert, sie wurden beispielsweise sitzend begraben. Vielen dieser Menschen wurden die Köpfe und andere Körperteile abgetrennt, die dann offenbar systematisch zusammen mit Tierkadavern begraben wurden. Teilweise wurden die Menschen gekocht – und vielleicht auch gegessen.
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Dies stellt eine grosse Ausnahme dar, die Spezialisten kennen keine identischen Fälle aus der Keltenzeit. Auffallend sind auch die vielen Frauen- und Kinderskelette.
Keine Krieger
Erstaunlicherweise fand man keine Waffen. Dies zeige laut Kaenel, dass es sich um «normale» Menschen gehandelt haben müsse – wahrscheinlich vom keltischen Stamm der Helvetier – und nicht etwa um gefallene Krieger, wie man sie schon anderswo als eine Art Kriegstrophäe gefunden hatte.
«Gut möglich, dass sich damals eine grosse Krise ereignete. Vielleicht eine Epidemie oder eine klimatische Veränderung?», orakelt Kaenel. «Mit diesen Tier- und Menschenopfern schliesslich wollte man offensichtlich die Götter ehren und milde stimmen.»
Menschenopfer?
Zur Zeit sind dies alles Mutmassungen. Eine stattliche Zahl von Spezialisten ist nun daran, das Geheimnis jener Kelten zu lüften, die hier, hundert Jahre vor Christus, ein Drama erlebt haben mussten.
Hatte der römische Kaiser Julius Cäsar also Recht mit seiner Behauptung, die Kelten würden Menschen opfern? Die Funde auf dem Mormont machen ganz den Anschein.