Sie haben vor gut fünf Jahren Ihren Dokumentarfilm «Hoselupf» erfolgreich in die Kinos gebracht. Darin erkundet der Stadtzürcher Schwing-Laie und Komiker Beat Schlatter das Schwingen. Für die Recherchen sind Sie ein ganzes Jahr lang von Schwingfest zu Schwingfest gezogen. Was hat Sie an diesem Sport so fasziniert?
This Lüscher: Ich wohnte zu der Zeit in den Niederlanden und hatte einen ziemlichen Abstand zur Schweiz. Da übte dieses ursprüngliche, rohe, in die Natur eingebettete Volksfest eine grosse Faszination aus.
Ich kannte das so nur von den Erzählungen meines Grossvaters. Es war das Gegenteil von Amsterdam.
Ihr Grossvater war Schwinger. Aber Sie haben als Kind die Kämpfe nie mitverfolgt. Zu viel Folklore, zu viel Schweiz – warum jetzt diese «Swissness»?
Die Swissness war von zehn Jahren auch schon da. Nur hat man sie da noch erkannt als solche. Heutzutage ist ja eigentlich alles «Swissness».
Es wundert mich überhaupt nicht, dass Schwingen so breit angekommen ist: Das Schwingen steht für dieses Verlangen nach der Idylle – der scheinbaren Idylle der Schweiz.
Was lernt man beim Schwingen fürs Leben?
Das weiss ich nicht. Denn ich schwinge nicht.
Sie haben es auch nicht probiert?
Ich war ein paar Mal mit Beat Schlatter im Schwingkeller, ich sage jetzt nicht, wie’s ausgegangen ist … (lacht) Das Schwingen ist ein unglaublich harter Sport. Man ist physisch und technisch extrem stark gefordert. Kameradschaft, Fairness – die üblichen Begriffe treffen hier zu.
Wer gewinnt, putzt dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken. Der Sieger ist Schwingerkönig und damit der einzige König, den das Schweizer Volk toleriert. Wie erklären Sie sich diese breite Akzeptanz des Schwingsports?
Schwingen wurde immer schon akzeptiert. Es wurde einfach nicht so gut transportiert. Vor 10, 15 Jahren ist diese Maschine angelaufen.
Das hat viel damit zu tun, dass das Schweizer Fernsehen die Sportart überträgt. Das Eidgenössische ist ein Gigant, ein Markengigant geworden.
Für das Eidgenössische liegt das Budget bei fast 30 Millionen Franken. Schwinger sind omnipräsent als Werbeträger und am Sonntag wird ein Millionenpublikum am Fernsehen den Schlussgang mitverfolgen. Passt dieser Rummel überhaupt zum Schwingen?
Der Rummel passt eigentlich zu keinem Sport. Auch der Riesenrummel bei der Olympiade oder beim Fussball: Das passt nicht zum «Tschuttä», wie wir es kennen. Aber es ist nun mal so. In dieser Welt leben wir.
Gehen Sie am Wochenende ans Eidgenössische?
Ich würde sehr gerne gehen. Ich habe aber drei Kinder zwischen zwei und 16 Jahren. Das reicht einfach nicht von der Zeit her.
Schwingen die?
Noch nicht. (lacht)
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 26.08.2016, 08:20 Uhr