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Brantschen und Gyger sitzen im Lotus-Sitz nebeneinander und schauen sich gegenseitig an.
Legende: Niklaus Brantschen und Pia Gyger sind beide Zen-Meister und führen eine zölibatäre Beziehung. Frederic Meyer / Lassalle-Haus

Gesellschaft & Religion Eine Liebe wie ein kraftvolles Feuer – aber ohne Sex

Die Ordensfrau Pia Gyger und der Jesuitenpater Niklaus Brantschen sind seit Jahren ein Paar. Ein zölibatäres Paar. Ein Widerspruch?

Zu den Personen

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Die Heilpädagogin und Psychologin Pia Gyger ist Mitglied der ökumenischen Gemeinschaft Katharina-Werk und hat mit dem Jesuitenpater Niklaus Brantschen eine Zen-Linie, das Lassalle-Institut , und die Kontemplationsschule Via Integralis gegründet. Zusammen leiten sie das Friedensprojekt «Jerusalem – Offene Stadt zum Erlernen des Friedens in der Welt».

In der katholischen Kirche dürfen Priester und Ordensfrauen nicht heiraten und eine Familie gründen. Sie geloben, zölibatär zu leben, auf Sex mit einer Partnerin oder einem Partner zu verzichten. Nur, was passiert, wenn sie sich trotzdem verlieben? Genau dies ist der Ordensfrau Pia Gyger (73) und dem Jesuitenpater Niklaus Brantschen (76) vor mehr als 40 Jahren passiert.

Damals haben sie sich gefragt: Wie weiter? Aus dem Orden austreten, heiraten und eine Familie gründen? Das kam für beide nicht in Frage. Die Beziehung heimlich und leidenschaftlich ausleben? Diese Doppelmoral wollten beide nicht praktizieren. Die Gefühle ignorieren, auf die Liebe verzichten? Auch das ging nicht.

Pia Gyger und Niklaus Brantschen haben einen alternativen Weg gesucht: eine zölibatäre Partnerschaft, eine tiefe Freundschaft zwischen Frau und Mann ohne sexuelle Vereinigung. Dies klingt widersprüchlich und irritiert. Doch heute sagen die beiden, ihre Liebe und die Liebe zu Gott seien dadurch gewachsen. Der Weg war aber steinig.

Sexualität transformieren

Buchhinweis

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Niklaus Brantschen und Pia Gyger: «Es geht um die Liebe. Aus dem Leben eines zölibatären Paares». Kösel Verlag, 2013.

Diesen Weg beschreiben die beiden in einem Buch. Darin geben sie offen zu, dass der Verzicht auf Ehe und Kinder oft wehgetan habe. Wie weit geht der körperliche Kontakt in ihrer Beziehung? Berührungen sind für sie alltäglich, etwa wenn sie ihre Hände ineinander legen oder sich an der Schulter berühren.

«Zärtlichkeit in Gesten und Sprache ist sehr wichtig», sagt Niklaus Brantschen. Pia Gyger fügt an, die körperliche Vereinigung stelle nur eine Möglichkeit unter anderen dar, die sexuelle Energie auszudrücken. Sexualität versteht sie als Teil einer umfassenderen Lebensenergie. Die Sexualität hätten sie nicht einfach abgespaltet, sondern transformiert, in eine schöpferische Kraft umgewandelt. Daraus seien ihre Projekte entstanden.

Gemeinsam haben sie eine eigene Mediations- und Kontemplationsschule gegründet. Pia Gyger und Niklaus Brantschen praktizieren seit Jahren buddhistische Zen-Meditation und haben sich zu Zen-Meistern ausbilden und ernennen lassen. Nicht von ungefähr hat sie die buddhistische Zen-Meditation fasziniert. Denn sie schärft die Wahrnehmung und fördert das Mitgefühl mit allen Lebewesen und die Zärtlichkeit für sie. Die Zen-Meditation will das Entweder-oder-Denken überwinden und die Menschen zu einer Einheitserfahrung führen.

Sendungen zum Thema

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In der dreiteiligen Reihe «Glaube Liebe Lust – Sexualität in den Weltreligionen» zeigt Sternstunde Religion, wie Menschen verschiedener Religionen mit Sexualität umgehen.

«Wir telefonieren jeden Tag»

Pia Gyger und Niklaus Brantschen leben örtlich getrennt, je in ihrer Ordensgemeinschaft. Sie telefonieren jeden Tag. Es brauche Geduld, denn die Liebe gebe es nicht im Schnellverfahren – wie alles, was im Leben zähle.

Was sagen sie den Menschen, die vielleicht skeptisch auf ihre zölibatäre Partnerschaft blicken? Beide vergleichen ihre Liebe mit «einem kraftvollen Feuer, das uns wärmt und auf andere ausstrahlt».

Im Vorwort schreiben Pia Gyger und Niklaus Brantschen: «Wir ermutigen Sie, Ihrer Sehnsucht nach einem erfüllten Leben Raum zu geben, einem Leben mit Tiefgang und möglichst grosser Nähe zu aller Kreatur. Denn dies ist unser Vermächtnis: Was im Leben zählt, ist die Liebe.»

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