«Ja, wir sind schon Jäger», sagt Kevin Hegensteiner, Präsident des Vereins «Green Hunting». Er und seine Mitjäger fahren aber nicht nach Afrika, um Beute zu machen. «Das lässt sich nicht in Einklang bringen mit meinem ökologischen Gewissen», erklärt er mit gerunzelter Stirn.
Tauben brauchen natürliche Feinde
Am Boden vor seiner «Jagdhütte» – einem Holzhäuschen am Rande einer Schrebergartenkolonie im Zürcher Triemliquartier – liegt ein Häufchen Federn. Taubenfedern? Ja. Tauben seien ihre Lieblingsjagdtiere, erklärt Kevin Hegensteiner. Sie seien gerade in den Städten inzwischen so zahm, dass man sie von Hand fangen könne. Das sei nicht gut für sie, fährt der angehende Biologe fort. Auch Tauben brauchen natürliche Feinde – sonst werden es zu viele.
Am Häuschen an der Wand lehnt ein Pfeilbogen. Damit jagt der Verein wirklich? Der junge Mann zuckt die Schultern: «Ja, wenn wir treffen. Aber es ist schwierig – wir müssen alle noch üben. Deswegen fangen wir die Tauben auch mit Fallen.» Und die am Boden? Die habe er mit dem Bogen erwischt, strahlt er stolz.
Optimale Verwertung von Biomasse
Inzwischen ist Cloé Kunart auf ihrem Fahrrad angekommen. Eine junge Frau mit Blümchen am Fahradkorb. Auch sie eine Jägerin? Sie nickt. Fällt es ihr als Frau nicht schwer, Tauben zu töten? «Am Anfang schon. Aber seit ich darüber nachgedacht habe, wie sehr ein Huhn leiden muss, das den ganzen Tag in einer Batterie eingesperrt ist, fällt es mir wesentlich leichter.» Immerhin habe die Taube vorher ein schönes, vogelfreies Leben gehabt. Und zudem werden Tauben überall auf der Welt gegessen. Wissenschaftlich sei das nichts anderes als optimale Verwertung von Biomasse, ergänzt Kevin Hegensteiner.
Apropos Bio: Tauben werden als «Ratten der Lüfte» bezeichnet – das klingt nicht nach Bio? Nein – meint Cloé Kunart. Sie seien voller Schwermetall. Abersie kenne einen Trick, wie sie dieses dem Fleisch entziehen kann. «Man muss sie nur lange genug wässern – wie Karpfen. Das habe ich von meiner Grossmutter gelernt». Von dieser habe sie auch ein Rezept für geschmorte Tauben. Wichtig sei dabei der Liebstöckel. Der nehme ihnen den etwas strengen Geschmack.
Logische Weiterentwicklung von Urban Gardening
Sind sie die einzigen Vereinsmitglieder? Kevin lacht: Nein, sie seien inzwischen 54 Personen. Tendenz steigend. Allerdings: Nachhaltiges Denken und Tierliebe seien schon Voraussetzung für einen Beitritt.
Urban Hunting sei eine logische Weiterentwicklung von Urban Fishing und Urban Gardening, überhaupt von «do it yourself» – was zur Zeit sehr angesagt sei. Weil auf dem Land die Natur stetig abnehme, erklärt der Biologe, komme sie jetzt eben in die Stadt. Da braucht es neue Strategien, um das biologische Gleichgewicht zu erhalten. Sobald sie mit Pfeil und Bogen etwas päziser seien, würden sie deshalb auch Marder und Eichhörnchen ins Visier nehmen. Mindestens letztere habe man früher auch gegessen, ergänzt Cloé. Und ich bin sicher, dass ihre Grossmutter auch zum Eichhörnchenbraten ein Rezept beisteuern wird.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 1.4.2015, 8:20 Uhr