Seit Eritrea 1993 eine Militärdiktatur wurde, haben mehr als 100‘000 Einwohner ihre Heimat verlassen. Der Flüchtlingsstrom in den Norden reisst auch nicht ab, als Europa 2006 die Asylpolitik verschärft – er findet lediglich neue Wege. Eine bisher unbekannte Route führt von Ostafrika über den Sinai nach Israel. Ein Weg in eine bessere Zukunft, der grausame Gefahren birgt: Rund 8000 Eritreer wurden bis heute von Beduinen verschleppt, gefoltert und nur gegen hohe Lösegeldsummen wieder freigelassen.
Als die eritreische, heute in Stockholm lebende Radiojournalistin Meron Estefanos durch einen Arbeitskollegen vom Schicksal zahlreicher Landsleute erfährt, beschliesst sie, den Opfern und ihre Angehörigen eine Stimme zu geben. Sie nimmt Gespräche mit den Geiseln auf und sendet sie wöchentlich auf dem Radiosender «Radio Erena». Mobiltelefone, die die Folterer den Geiseln zwecks Lösegeldforderung zur Verfügung stellen, ermöglichen ihr die Kontaktaufnahme.
Lösegeld ist keine Lösung
Eine dieser Geiseln ist Hariti. Hariti wollte ihrem Mann Amaniel, dem die Flucht nach Israel gelungen war, nachfolgen. Die schwangere Frau wurde unterwegs von Beduinen gekidnappt und gebar ihr Kind, angekettet in einem Folterlager. Ihr Ehemann Amaniel hat mittlerweile 10‘000 Dollar Lösegeld bezahlt – 20‘000 Dollar fehlen ihm noch, um die Freiheit seiner Ehefrau zu erkaufen. Bis dahin muss er sich am Telefon die entsetzlichen Folterberichte seiner Frau anhören.
Die Lösegeldzahlungen sind ein zweischneidiges Schwert: Sie ermutigen die Beduinen, mit ihren grausamen Methoden weiterzumachen, aber sie retten die Geiseln vor dem Tod. «Ich bin gegen diese Lösegeldzahlungen. Aber ich kann doch nicht zulassen, dass man sie umbringt. Das geht doch nicht. Man muss etwas dagegen unternehmen», erklärt Meron verzweifelt. Hunderte von Geiseln und Angehörige hat sie schon interviewt und ihnen in ihrer Sendung «Stimmen der eritreischen Flüchtlinge» die Möglichkeit zum öffentlichen Hilfeschrei gegeben.
Reise in die gefährliche Zone
Diese Stimmen möchte sie jetzt persönlich treffen, sie reist nach Tel Aviv. Dort trifft sie unter anderem Samha, die an einen Beduinen verkauft wurde und nach einer gefährlichen Reise nach Israel kam. Noch sichtlich geschwächt kollabiert sie beim Treffen mit Meron: Als Geisel wurde sie stündlich gefoltert und jede Nacht bis zu zwölf Mal vergewaltigt.
Meron reist auch in die gefährliche Zone nach Rafa im Sinai. Sie will nach vermissten Geiseln suchen, doch die Suche konfrontiert sie mit grausamen Fakten.
«Gekidnappt im Sinai», der im Original «Sound of Torture» heisst, dokumentiert Entsetzliches und schlägt einen Ton an, der lange nachhallt. Er erschüttert und ermutigt gleichzeitig, da er vielen Flüchtlingen eine Stimme gibt, die man sonst nicht hören würde.