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Gesellschaft & Religion Erlaubt oder verboten? Scheidung in den Weltreligionen

Religiöse Traditionen haben ein schwieriges Verhältnis zum Sex. Dennoch sind die religiösen Regeln und ihre Anwendung von grosser gesellschaftlicher Bedeutung. Wie genau lauten diese Regeln? Was ist erlaubt, was verboten? Fünf Kennerinnen und Kenner der Weltreligionen erklären. Teil 4: Scheidung.

Sasikumar Tharamalingam (Hinduismus):

«Auf Scheidungen hat die Religion oder haben wir Priester keinen Einfluss. Es gibt kein religiöses Ritual für Scheidungen. Ob ein Paar zusammen bleibt oder getrennt leben will, ist seine Entscheidung. Es gibt auch keine Bestrafung oder Ächtung für Paare, die sich scheiden. Der Tempel ist kein Ort für Konflikte. Streitigkeiten gehören nicht in den Tempel, sondern hier haben wir die Pflicht, auch für unsere Feinde zu beten.»

Rifa’at Lenzin (Islam):

Erlaubt oder verboten?

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«Alle Handlungen werden religionsrechtlich eingeteilt in vorgeschrieben – empfohlen – indifferent – missbilligt – verboten. Die Scheidung fällt in die Kategorie erlaubt, aber missbilligt. Die Scheidung ist grundsätzlich für beide Geschlechter möglich. Für den Mann ist sie sehr einfach, für die Frau aber mit prozessualen Hürden verbunden, weil sie zwingend einen Richter anrufen muss. Da das islamische Scheidungsrecht für Frauen sehr nachteilig ist, gilt in den meisten islamischen Staaten ein verbessertes Scheidungsrecht.

Ob die Scheidung sozial akzeptabel ist, hängt unabhängig von den religiösen Vorschriften von den Gegebenheiten vor Ort ab und kann deshalb sehr unterschiedlich sein. In traditionellen Gesellschaften kann es eine Frage der Familienehre sein, vor allem, wenn die Frau sich scheiden lassen will.»

Michel Bollag (Judentum):

«Eine Scheidung ist die Auflösung eines Vertrages und ist in der Tora vorgesehen. Im Judentum muss der Mann den Brief für die Scheidung übergeben. Die Frau kann das nicht, sie kann die Scheidung nur beantragen. Im Fall einer Verweigerung des Ehemann kann es zu Problemen kommen, wenn es rabbinischen Gerichten nicht gelingt, den Ehemnann zu überzeugen oder zu zwingen den Scheidungsbrief zu übergeben.»

Zu den Experten

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Sasikumar Tharamalingam: Tamile und Hindupriester in Bern

Rifa’at Lenzin: Islamwissenschafterin, Fachreferentin Islam und Co-Leiterin des Zürcher Lehrhauses

Michel Bollag: Fachreferent Judentum und Co-Leiter des Zürcher Lehrhauses

Christina Aus der Au: reformierte Theologin, Uni Basel

Norbert Reck: katholischer Theologe in München

Christina Aus der Au (Reformierte):

«Wenn sich zwei Menschen trennen, die eigentlich einmal lebenslang zusammenbleiben wollten, dann ist das immer traurig. Insbesondere, wenn Kinder damit ihr urvertrautes Nest verlieren. Macht sich ein Ehepaar das Leben zur Hölle, dann ist das allerdings auch sehr bedauerlich. Ich glaube, manchmal ist eine Trennung die einzige Möglichkeit für einen Neuanfang – auch für die Kinder. Diesen Mut sollten wir achten, nicht ächten.»

Norbert Reck (Katholizismus):

«Jesus sagt nach dem Evangelium: 'Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.‘ Daraus schliesst die katholische Kirche, dass die Menschen nicht eigenmächtig über die Auflösung der Ehe verfügen können. Grundsätzlich ist eine Scheidung daher nicht erlaubt. Vor Gott bleiben die Eheleute immer mit ihrem ursprünglichen Ehepartner verheiratet. Diskutiert wird heute, ob die Kirche nicht Barmherzigkeit zeigen muss, wenn eine Ehe trotz bestem Bemühen der Partner scheitert.»

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