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Gesellschaft & Religion Feinfühlige Kriegsfotografin Anja Niedringhaus wurde erschossen

Die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus ist in Afghanistan erschossen worden. Das meldete ihr Arbeitgeber, die Nachrichtenagentur AP. Niedringhaus erhielt für ihre Fotos zahlreiche Auszeichnungen, auch den Pulitzerpreis. Dabei waren der erfahrenen Kriegsfotografin Menschen stets wichtiger als Bilder.

Die bevorstehenden Wahlen in Afghanistan haben ihr erstes ausländisches Opfer gefordert. Mit dem Ruf «Allah u akbar!» – Gott ist gross! – eröffnete ein Polizist das Feuer auf einen Konvoi ausländischer Wahlbeobachter. Der Mann traf bei seinem Angriff zwei Journalistinnen. Eine von ihnen, Anja Niedringshaus, die im Auftrag der amerikanischen Nachrichtenagentur AP die Wahlen als Fotografin dokumentieren sollte, war sofort tot. Ihre Kollegin, die kanadische Journalistin Kathy Gannon, wurde bei dem Angriff schwer verletzt.

Feinfühlige Kriegsbilder

Anja Niedringhaus galt als eine der besonnensten und besten Kriegsfotografinnen weltweit. Sie war eine erfahrene Journalistin. Jeder hat, vielleicht ohne es zu wissen, schon Bilder von ihr gesehen: aus Bosnien, dem Nahen Osten, Afghanistan oder Pakistan. Für ihre Bilder aus dem Irak-Krieg erhielt sie 2005 als erste deutsche Fotografin den amerikanischen Pulitzer-Preis.

Porträtaufnahme
Legende: «Ich will mich jeden Tag im Spiegel ansehen können.» (Anja Niedringhaus, 2005 in Rom.) Keystone

Was Anja Niedringhaus‘ Bilder auszeichnete, war ihrer Feinfühligkeit, jener besondere Blick, der den Betrachter innehalten und nachdenken lässt. An einem Zaun wehen Stiefel an Schnürsenkeln im Wind – es sind die Stiefel von 30 Soldaten, deren Hubschrauber abgeschossen wurde. Ein roter Weihnachtsmann – inmitten von Soldaten in Kampfmontur im Irak. Ein dunkler Schatten auf dem Asphalt, der erahnen lässt, dass der Mensch, zu dem er gehörte, nicht mehr lebt. Immer waren es solch ungewöhnliche Perspektiven, die die AP-Fotografin weltberühmt machten.

Ein stilles Plädoyer für ein Ende der Gewalt

Sie habe nie über ihre Bildsprache nachgedacht. Die habe sich einfach von selbst entwickelt, sagte sie einmal. «Ich hab den Fotografenberuf ja nie erlernt. Vielleicht hatte ich einfach nur gute Augen.» Anja Niedringhaus begann als 16-Jährige zunächst für die Lokalredaktion der deutschen Neuen Westfälischen Zeitung zu arbeiten. Ihr eigentliches Ziel damals aber war, Lehrerin zu werden, mit Kindern zu arbeiten. Ihre Leidenschaft für die Fotografie aber obsiegte. Zuerst fotografierte sie Reisereportagen. Dann fand sie sich plötzlich im Bosnien-Krieg wieder.

Von ihrem ersten Tag als Kriegsfotografin waren Anja Niedringhaus‘ Bilder ein stilles Plädoyer für ein Ende der Gewalt. «Kämpfen tun eigentlich immer nur Männer», begründete sie einmal ihre Arbeitsweise, «aber mitten im Krieg geht das normale Leben der Zivilisten weiter.» Diesem Leben aber fehlten die Männer, plötzlich seien da nur noch Frauen und Kinder: «Das ist es, was ich zeigen möchte – menschliches Leben in der Unmenschlichkeit des Krieges und wie es danach weiter geht.»

Menschenleben waren wichtiger als Bilder

Und so wie ihre Bilder von einer tiefen Humanität zeugen, so ging es Anja Niedringhaus nie darum nur auf den Auslöser zu drücken. Ihr war nicht egal, was vor ihrer Kamera passierte. Sie verzichtete auf Fotos, die ihren Ruhm hätten mehren können.

Wenn es darum ging Leben zu retten, Verletzten zu helfen, legte sie die Kamera weg. Ihr war deren Leben wichtiger als ihre Fotos. «Ich habe während des Bosnien-Krieges in Sarajewo bei einem Bombenangriff selbst viele verletzte Zivilisten ins Krankenhaus gefahren. Und erst danach ist mir aufgefallen, dass ich kein einziges Bild gemacht hatte. Warum ich so gehandelt habe? Weil ich jeden morgen auch noch in den Spiegel schauen muss.»

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