«Wer A sagt, muss auch B sagen», sagt Harri Hiitiö. Was der Gemeindedirektor des finnischen Örtchens Eurajoki damit meint: «Wer A wie Atomkraft sagt, muss auch für B wie Barrieren sorgen, damit die gefährliche Strahlung der Nuklearenergie niemandem zu Schaden kommt.»
In Eurajoki, einer Gemeinde mit knapp 6000 Einwohnern an der Ostsee, nimmt man diesen Grundsatz ernst. Hier stehen seit den späten 1970er-Jahren zwei Siedewasserreaktoren sowjetischen Types. Derzeit wird mit französischer Hilfe an einem dritten AKW gebaut. Ein vierter Meiler an gleicher Stelle ist bereits in Planung.
Für 100'000 Jahre sicher gelagert
Gleichzeitig wird im Untergrund der Halbinsel Olkiluoto, auf der die Reaktoren stehen, seit Jahren an einem Endlager für hochradioaktive Abfälle gebaut. Es soll als erstes dieser Gattung im Jahr 2020 in Betrieb genommen werden.
Ein neun Kilometer langer Strassentunnel führt rund 400 Meter unter den Boden der Ostsee, wo noch in diesem Jahr mit dem Aushub vertikaler Stollen begonnen werden soll. Wenn das Endlager fertig ist, sollen dort 6000 Kupferkapseln – jeweils bis zu 25 Tonnen schwer – mit hochradioaktiven Abfälle deponiert werden. Nach Angaben der Behörden kann dort der Atommüll über 100'000 Jahre lang sicher gelagert werden.
Vorbild Finnland
Das finnische Vorgehen hat Modellcharakter: Bereits seit den 1980er-Jahren suchte man nach einer inländischen Lösung für die strahlenden Abfälle. Davor wurden die entsprechenden Brennstäbe ins benachbarte Russland entsorgt. Landesweite Untersuchungen ergaben, dass es in Finnland viele Orte gibt, in denen ein Endlager im harten kristallinen Mutterfels möglich wäre.
Kaum eine der angefragten Gemeinden war jedoch an einem solchen milliardenschweren Projekt interessiert – bis auf die beiden Standorte der Kernkraftwerke in Eurajoki und Loviisa. Aus pragmatischen Gründen fiel die Wahl deshalb auf Eurajoki, erklärt der Sprecher des finnischen Endlagerbetreibers, Timo Äikäs.
Dieses Vorgehen stösst aber auch auf Kritik: «Hunderte Standorte wurden erkundet – doch am Ende wählte die Industrie den Standort, wo der geringste Bürgerwiderstand zu erwarten war», betont Lauri Myllyvirta von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Er fürchtet, dass sich die Kupferkapseln dereinst im Grundwasser unter dem Meeresboden auflösen könnten – und das Meer verstrahlen könnten.
Auch Schweden will Endlager bauen
Einige 100 Kilometer weiter westlich, an der schwedischen Ostküste in der Gemeinde Östhammar, sieht die Situation ähnlich aus: Auch hier haben die staatlichen Behörden den Standort von AKWs als Endlager hochradioaktiver Abfälle gewählt – dies, nachdem es an zahlreichen anderen Orten zu Volksentscheiden gegen ein solches Endlager gekommen war.
Ebenfalls wie in Finnland setzen die Behörden auf eine Bunkerung der Abfälle in Tunneln unter der Ostsee. Und auch hier haben Kritiker und Forscher Bedenken angemeldet. Im Unterschied zu Finnland steht in Schweden jedoch der definitive Entscheid der Regierung zum Bau des Endlagers noch aus. Er ist für 2016 vorgesehen.
Dabei besitzen die schwedischen Kommunen ein Vetorecht gegen Atomanlagen. In Östhammar wird dies wohl nicht zur Anwendung kommen – denn der örtliche Arbeitsmarkt hängt vom Gedeihen der Nuklearindustrie ab.