Dieses Jahr wäre Galileo Galilei 450 Jahre alt geworden. Wenn er noch lebte, würde er sich wundern über die Themen, mit denen Forscher von heute unterwegs sind. Er würde staunen über ihm völlig unbekannte Wissenschaftsfelder wie Genetik oder Hirnforschung. Und darüber, wie brisant der Disput zwischen Glauben und Wissen noch immer ist.
Galilei, der Experimentierer
Der Florentiner Wissenschaftler Galilei lebte im Italien der späten Renaissance. Nicht die «Disputation» ist seine Leidenschaft, sondern das physikalische Experiment: Er probiert aus, rechnet, beobachtet. Er zeichnet Pläne für Festungen und Horoskope – schliesslich baut er das erste Fernrohr, ein Teleskop mit 20facher Vergrösserung.
Was er damit am Himmel beobachtet und errechnet, wird die Welt nachhaltig verändern: Der Mond hat keine makellose Oberfläche, es gibt viel mehr Sterne als bisher gedacht, und es gibt Planeten, die sich nicht um die Erde drehen. Es ist der Beginn der modernen Astronomie.
Und sie bewegt sich doch
Doch das war erst der Anfang. Ermuntert von seinem Freund Papst Urban VIII macht sich Galilei daran, den Nachweis für jene These zu erbringen, die bereits Kopernikus verfolgte. Eine These, die die Vorstellung der Welt in ein Vorher und ein Nachher einteilt: Nicht die Sonne dreht sich um die Erde, sondern umgekehrt. Es ist das Ende des sogenannten «geozentrischen» Weltbildes, das die Erde als Mittelpunkt des Universums versteht. Noch ahnt niemand, dass auch das Sonnensystem nur ein kleiner Teil des gesamten Universums darstellt.
Die Kirche ist, entgegen landläufiger Meinung, zu jener Zeit durchaus an den neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaft interessiert. Doch nur, solange diese nicht das grundlegende christliche Weltbild in Frage stellen. Eine einzelne Hypothese soll sich nur auf ein bestimmtes Wissensgebiet beziehen und nicht auf die ganze Wirklichkeit, auf die ewigen Wahrheiten der Kirchenlehre.
Der tiefgläubige Galilei, Freund des Papstes, tut sich schwer damit, dass seine Beobachtungen der Bibel widersprechen. Er will die Kirchenfürsten dazu bewegen, ihre Auslegung anzupassen. Damit überschreitet er die Grenze: die Auslegung der Bibel ist der Institution Kirche vorbehalten.
Am 22. Juni 1633 wird Galilei vor das Tribunal der Inquisition zitiert. Er muss seinen «Irrtümern und Ketzereien» abschwören und wird unter Hausarrest gestellt.
Was darf die Wissenschaft?
Die Hoheit der Kirche über das Wissen ist heute längst Vergangenheit, nicht zuletzt dank Galilei. Er und seine Mitstreiter haben dazu beigetragen, dass sich Wissen und Religion getrennt haben. Doch Galilei, der seinerzeit für das freie wissenschaftliche Denken gekämpft hat, konnte nicht voraussehen, was die Freiheit der Wissenschaft auslösen würde.
Heute, im Zeitalter von Reproduktionsmedizin, Hirnforschung und umfassender Digitalisierung des Alltags, drängt die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft und den Grenzen des Machbaren ins Zentrum. Wissenschaftler arbeiten heute zwar frei von kirchlichen Dogmen, aber die gesellschaftliche Verantwortung für ihre Forschungen haben sie mitzutragen.