Die Bilder vom Giftgasangriff auf die Ortschaft Halabdscha gingen 1988 um die Welt. Bilder von Kindern, die in den Armen ihrer Väter starben, verkrümmte Leichen, ein Lastwagen mit Menschen beladen, alle tot. Der irakische Diktator Saddam Hussein besiegelte damit sein politisches Schicksal. International war er fortan diskreditiert.
Dasselbe geschieht mit dem syrischen Diktator Baschir-al Assad, der sich mit dem Einsatz von Chemiewaffen im Bürgerkrieg auch noch die allerletzten Sympathien verscherzt hat. Bilder vom Chemiewaffenangriff von Ghutta am 21. August 2013, bei dem – je nach Angaben – bis zu 1700 Menschen ums Leben kamen, zeigen, wie schrecklich der Nervenkampfstoff Sarin wirken kann.
Brutal und effizient
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Jeder Diktator, jede Bürgerkriegspartei, die Chemiewaffen einsetzt, weiss um die internationale Ächtung, die auf einen Angriff mit Giftgas folgt. Dass die fiese Waffe dennoch immer wieder zum Einsatz kommt, hat, so der Chemiewaffenexperte Stefan Mogl, Leiter der Abteilung Chemie am Labor Spiez, mit der brutalen Effizienz zu tun. Moderne Chemiewaffen töten rasch, undifferenziert. Alles stirbt, auch die kleinsten Insekten.
Darin unterscheiden sich Chemiewaffen nicht grundsätzlich von Atomwaffen – beide gehören zu den Massenvernichtungswaffen, beide töten mit hoher Effizienz. Atomwaffen bedienen die Fantasie der totalen Vernichtung, auch der Infrastruktur, auch von Häusern, Strassen, nicht nur von Menschen. Chemiewaffen aber mobilisieren eine andere Fantasie: die der Extermination, der Ausrottung, wie Ungeziefer vernichtet wird, wie Unkraut.
Alles wird zu einer Gaskammer
Der Chemiewaffenexperte Stefan Mogl sagt, dass Chemiewaffen sich überall dort verbreiten, «wo sich die Luft verbreitet». Chemiewaffen, Giftgase rauben den Menschen nicht nur, aber vor allem: den Atem. Der Ort, das Dorf, die Stadt, das Quartier wird zu einer einzigen, grossen Gaskammer, in der alles erstickt.
Die grosse Bedrohung, die von Chemiewaffen ausgeht, besteht darin, dass sie – und dies im Gegensatz zu Atomwaffen – lokal begrenzt einsetzbar sind. Sie führen nicht zur totalen, umfassenden Zerstörung, wie im Fall von Atomwaffen. Das Gebiet ist nach einer bestimmten Zeit wieder begehbar, Güter, Häuser, Gegenstände, Grundstücke können vom Gegner in Besitz genommen werden.
Historische Lehren
Der erste Giftgasangriff in der Geschichte wurde am 22. April 1915 in Ypern durchgeführt. Deutsche Truppen öffneten Gasflaschen, liessen das Gas in Windrichtung zum Gegner strömen. Damit setzte der Giftgaskrieg ein, mit unfassbarem Leid, vor allem für diejenigen, die nicht getötet, sondern verletzt wurden.
Es hat lange gedauert, bis die Lehren gezogen wurden. Erst 1997 trat das Chemiewaffenabkommen in Kraft, und seither haben fast alle Länder das Abkommen, das die Herstellung, den Besitz, die Verbreitung und den Besitz von Chemiewaffen verbietet, unterzeichnet. Hunderttausende Tonnen Chemiewaffen wurden seither vernichtet, nur noch ein paar wenige Länder stehen abseits, sogar Syrien ist 2013 dem Abkommen beigetreten.
Dennoch ist Wachsamkeit angesagt, sagt Stefan Mogl, der Chemiewaffenexperte. Denn fortlaufend werden in den Labors dieser Welt neue Stoffe entwickelt, gerade auch an der Grenze von Chemie und Biologie, die als potenzielle Kampfstoffe eingesetzt werden können. Zu verhindern, dass es so weit kommt, das ist die Aufgabe der Inspektoren der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, der OPCW. Sie führt zu diesem Zweck auch regelmässige Inspektionen durch, auch in so unverdächtigen Ländern wie der Schweiz.