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Gesellschaft & Religion Hamburg feiert seinen Hafen – mit gefälschter Geburtsurkunde

Alljährlich feiert die Stadt Hamburg den Geburtstag seines Hafens mit grossem Tamtam. Sein Geburtsjahr ist urkundlich belegt: Der 7. Mai 1189. Aber kaum jemand kennt das Geheimnis der Urkunde, die angeblich von Kaiser Barbarossa höchstpersönlich ausgestellt worden ist: Sie ist eine Fälschung!

Jahr für Jahr feiern die Hamburger Anfang Mai den Hafengeburtstag. 2012 zählte die Traditionsveranstaltung 1,5 Millionen Besucher. «Der Hafen bleibt für Hamburg der entscheidende Wirtschaftsfaktor», so der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Olaf Scholz.

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Der Hafengeburtstag  findet heuer vom 9. – 12. Mai statt.

Am 7. Mai 1189 hatte Kaiser Friedrich Barbarossa der Stadt einen Freibrief ausgestellt. Das Dokument gilt gewissermassen als Geburtsurkunde des Hafens. Neben anderen Privilegien wird in der lateinisch verfassten Urkunde festgehalten, dass die Hamburger «mit ihren Schiffen, ihren Waren und ihrer Bemannung von der See bis zur genannten Stadt von allem Zoll und Ungeld» frei sein sollten.

Dem Kaiser sei Dank

Unter dem kaiserlichen Schutz baute die Stadt ihren Handel aus und konnte froh sein, dass sich das Schriftstück erst im 20. Jahrhundert als Fälschung herausstellte. Schliesslich hatte Hamburg seine Stellung unter den Welthäfen längst gefestigt, resümiert der ehemalige Leiter des Hamburger Staatsarchivs Hans-Dieter Loose: «Der Freibrief stammt in der Tat aus den 60er Jahren des 13. Jahrhunderts».

Damals gab es Streitigkeiten zwischen Hamburg und dem Erzbischof von Bremen wegen Zollerhebungen auf der Elbe. Erst als der Erzbischof eine entsprechende Urkunde sehen wollte, so Loose, stellte sich für die Hamburger die Notwendigkeit, eine solche Urkunde vorzuweisen. «Der Stadtschreiber von Hamburg hat sie dann offensichtlich hergestellt.»

Segelboot und Schlepper
Legende: Beliebtes Schauspiel: Die Windjammerparade. Christian Spahrbier

Falsches Siegel

Bereits im 19. Jahrhundert hatten Historiker den Verdacht geäussert, dass es sich bei der Urkunde um eine Fälschung handeln könnte. So bemerkten die Wissenschaftler, dass der kaiserliche Freibrief Neuburg an der Donau als Ausstellungsort nennt.

Dabei war aus anderen Quellen bekannt, dass sich Barbarossa am Tag der Unterzeichnung gar nicht in Neuburg, sondern in Regensburg aufhielt. Hier bereitete sich der Kaiser auf den dritten Kreuzzug vor, um das Heilige Land zu befreien. Die Historiker fanden zudem heraus, dass das Siegel falsch war: Nicht das Siegel Barbarossas ziert die Urkunde, sondern das seines Enkels, Friedrich II.

Reine Erfindung?

Der Streit um das gefälschte Kaiser-Privileg ist dennoch nicht beigelegt. Einige Historiker vertreten die These, dass es überhaupt keine Verhandlungen zwischen Barbarossa und der Stadt Hamburg gegeben haben soll. Der Freibrief, die Privilegien und das Datum vom 7. Mai 1189 seien reine Erfindungen aus dem 13. Jahrhundert, als Hamburg seinen Anspruch auf Zollfreiheit legitimieren musste. Dagegen geht eine andere Theorie von der Existenz der kaiserlichen Urkunde aus, die aber verloren gegangen sei. Die Fälschung, die sich heute im Hamburger Staatsarchiv befindet, wäre demnach eine Abschrift des Originals. Schliesslich besagt eine dritte These, dass es sich um mündliche Zusagen Barbarossas handelte. Da der Kaiser aber während des Kreuzzuges starb, konnte die Urkunde nicht mehr ausgestellt werden.

Schiffe im Hafen
Legende: Das Schlepperballett. Christian Spahrbier

Hafengeburtstag und Marketing

Heute ist der Hamburger Hafen der grösste deutsche Seehafen, der drittgrösste europäische Hafen und liegt auf Platz 14 der weltgrössten Containerhäfen (Stand 2011). Die Vermarktung des Hafengeburtstags bleibt ein Verdienst neuzeitlicher Werbestrategen. Hamburg möchte im internationalen Tourismus mitmischen, und da ist der 824. Hafengeburtstag vom 9. bis 12. Mai willkommener Anlass. Politik, Wirtschaft und Tourismus gehen Hand in Hand: Für die Windjammerparade, das Schlepperballet und den maritimen Trödelmarkt mit Nautiquitäten werden 1,5 Millionen Menschen erwartet. Die Stadt ist gerüstet und wirbt mit dem grössten Hafenfest der Welt: mit Shanti-Chören, Heavy-Metal-Kreuzfahrt, Feuerwerk und Hamburg T-Shirts, aus denen Hafengeburtstagsträume gewoben sind.

Augenzwinkern gehört zum Geschäft

Auf der Trostbrücke im Hamburger Hafen erinnert heute eine Statue an den dritten Grafen Adolph von Schauenburg. Er hatte den glänzenden Einfall, der Stadt den Freibrief vom 7. Mai 1189 zu verschaffen. Alle Jahre wieder wird dieser Tag gefeiert. Als Tor zur Welt – so stellt sich Hamburg seinen Gästen gerne dar.

Hinweise auf die Geschichtsfälschung? Fehlanzeige! In einer offiziellen Stellungnahme der Stadt heisst es: «Wenn wir den 7. Mai 1189 als Geburtsstunde des Hamburger Hafens nennen, geschieht dies immer mit einem Augenzwinkern . »

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