Herr Syz, Sie könnten die Pensionierung geniessen nach einer Karriere in verschiedenen Firmen und als Präsident des SECO. Stattdessen drehen Sie Filme. Warum?
Ich war ja damals erst 60, wollte aber aufhören nach fünf Jahren im SECO, weil es mir dort nicht wohl war. Aber ich habe dort viel gelernt. Davor hatte ich, wie viele meiner Kollegen aus der Wirtschaft, kaum Wissen über die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Globalisierung. Das interessierte mich.
Warum wählten Sie das Medium Film?
Üblicherweise schreiben ehemalige Staatssekretäre Bücher, das wollte ich nicht. So ging ich für vier Monate an eine Filmschule in New York, um eine Ahnung zu bekommen von dieser Welt.
In Ihrem neuen Film geht es um Arbeitslosigkeit. Warum haben Sie Spanien und Südkorea gewählt?
In Spanien liegt die Arbeitslosenquote bei 27%, in Südkorea bei 3%. Doch die Gesellschaftsmodelle sind ganz unterschiedlich. Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich lieber in Spanien als in Südkorea arbeitslos wäre.
Warum?
Weil die Spanier aus kulturellen Gründen besser damit umgehen können. Dort geht es nicht immer nur zu Lasten der Lebensqualität. In Korea hingegen herrscht Stress: Konsumstress, Prüfungsstress. Diese 3% Arbeitslosigkeit sind sehr teuer erkauft. Schon in der Schule gibt es Vorlesungen zur Prävention von Selbstmorden.
Sie zeigen aber auch, wie in Spanien die Migranten von den arbeitslosen Spaniern verdrängt werden. Auch kein Erfolgsmodell.
Spanien war auch mal ein Erfolgsmodell, aber sie haben grosse Fehler gemacht. Dieser Film soll zeigen, dass man nicht einfach von einem volkswirtschaftlichen Modell sagen kann: Das ist das Richtige.
Früher waren Sie Unternehmer und CEO, Sie galten als Sanierer ohne Samthandschuhe. Sie haben auch Leute entlassen.
Ich musste als Manager auch harte Personalentscheide fällen. Wenn ich Leute entlassen musste, mit denen ich gearbeitet habe, hat mich das getroffen. Um eine Firma zu retten, muss man manchmal Entscheide treffen, die für die Betroffenen sehr hart sind. Damals behandelte ich das Thema auf einer abstrakten Ebene. Wenn ich jedes Einzelschicksal anschaute, war ich blockiert. Ich brauchte eine gewisse Distanz, den grösseren Zusammenhang.
Hat die Filmarbeit Ihre Haltung verändert?
Es hat sich nicht viel geändert. Ich glaube nicht, dass ich knallhart war – ich war mir der sozialen Verantwortung bewusst. Aber ich habe mich nie in die einzelnen Schicksale vertieft, ich bewegte mich auf der Makroebene. Heute sehe ich, was es für Einzelne bedeutet, arbeitslos zu sein. Mir ist heute klar, dass man nicht einfach mit makroökonomischen Konzepten arbeiten kann, sondern dass es sozial verträgliche, individuell angepasste Lösungen braucht für jeden Menschen, der arbeitslos wird.
Sie sind in der FDP gross geworden.
Die FDP hat einen liberalen Anspruch. Doch eine Wertehaltung kann man nicht konsequent durchziehen, es braucht Kompromisse. Ich liege nicht auf der Linie der SVP. Ich konnte mich stets identifizieren mit den politischen Positionen der FDP – mit Ausnahme von gewissen Exzessen in der Wirtschaft.
Nämlich?
In der Finanzwirtschaft zum Beispiel. Da muss ich sagen, habe ich als Verwaltungsrat bei der CS versagt. Ich kann hier keine Interna ausbreiten. Ich habe innerhalb der CS meine Meinung immer vertreten, bin aber unterlegen.
Aber Sie mussten die Entscheide mittragen, sonst hätten Sie zurücktreten müssen?
So ist es. Dieses Engagement ist für mich eine ambivalente Geschichte.
Für Ihren Film «Hunger» haben Sie 2012 den katholischen Medienpreis gewonnen. Waren Sie überrascht, von welcher Seite Sie Applaus bekamen?
Ja, schon. Aber es kam nicht ganz überraschend, da ich mit Hilfswerken zusammengearbeitet habe. Ich hatte für die Drehs in Äthiopien mit der Helvetas und in Senegal mit dem Fastenopfer gearbeitet.
Wie finanzieren Sie Ihre Filme?
Ich finanziere sie selber, mit dem Geld, das ich in der CS verdient habe. Ich habe nie Kulturförderung beantragt. Das Preisgeld habe ich meinen Mitarbeitern weitergegeben.