Am 14. Dezember 2014 ist es soweit: Aleviten, Buddhisten, Christen, Hindus und Muslime ziehen ein in das «Haus der Religionen». Die Mitglieder jeder Religion werden je einen eigenen Sakralraum haben und – wie in einer grossen Wohngemeinschaft – Tür an Tür beten, meditieren, feiern.
Das Haus am Europaplatz im westlichen Bern ist Teil einer Überbauung mit Wohnungen und Büros, Restaurants und Supermärkten. Die Vorfreude ist gross. Denn die zugewanderten Gemeinschaften, die bis anhin in Industriearealen oder in Hinterhöfen Gottesdienst feiern mussten, erhalten hier würdige Sakralräume.
Aus dem Keller und dem Hinterhof in lichte Räume
Zum Beispiel der muslimische Verein Bern. Seine Mitglieder stammen mehrheitlich aus dem Balkan. Bisher beteten sie in einer improvisierten Moschee, in einem Kellergeschoss. Der Imam Mustafa Memeti freut sich sehr, endlich ans Tageslicht, an die Öffentlichkeit treten zu können. Die Muslime hätten mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, sagt er. Es sei an der Zeit, sich mit anderen Religionsgemeinschaften zusammenzutun. Für ihn ist der Einzug in das Haus ein Zeichen, dass die Muslime dazugehören und auch Teil der Gesellschaft sind.
Die Hindu-Gemeinschaft zügelt aus einem Hinterhoftempel in lichte Räume. Dazugehören, das ist auch für den tamilischen Hindupriester und interkulturellen Animator Sasikumar Tharamalingam zentral. Er denkt dabei vor allem an die tamilischen Secondos: «Hier in der Schweiz gibt es unterschiedliche Religionen und Kulturen. Unsere kommenden Generationen sollen in diesem Haus die anderen Religionen wie das Christentum oder den Islam kennenlernen.»
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Anerkennung und Dialog
Auch die wenig bekannte Gemeinschaft der Aleviten zieht in die grosse Wohngemeinschaft. Die Aleviten sind eine im 13. Jahrhundert in Anatolien entstandene Religion, die nur mündlich überliefert wird und keine heilige Schrift kennt. Über Jahrhunderte wurden die Aleviten verfolgt, bis heute sind sie in der Türkei nicht anerkannt. Im Haus der Religionen erhalten sie nun in der Schweiz erstmals eine Dergach, einen alevitischen Kultusraum. Auch für sie ist das ein Zeichen der Anerkennung.
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Der Zen-Buddhist Marco Röss, Mitbegründer des interkulturellen buddhistischen Vereins, sieht die Chance im Dialog, vor allem auch mit Atheisten: «Das Haus der Religionen soll kein Museum der Religionen sein. Wir sind Teil der Gesellschaft, und ein Teil der Gesellschaft ist areligiös. Der auch wissenschaftliche Zugang des Buddhismus scheint auch für areligiöse Menschen leichter annehmbar. Das macht die Diskussion einfacher, als mit Glaubensreligionen.»
Gemeinsam wohnen statt am runden Tisch diskutieren
Brücken bauen im Haus der Religionen wollen auch die Christen. Sieben Konfessionen sind mit von der Partie: die Reformierten, die Römischen Katholiken und die Christkatholiken, die Lutheraner, die Methodisten und die Mennoniten, die Äthiopisch-Orthodoxen sowie die Herrnhuter.
Kirchen gibt es in Bern genug. Braucht es da überhaupt einen christlichen Raum im Mehrreligionenhaus? Toni Hodel, katholischer Theologe und Kopräsident des Vereins «Kirche im Haus der Religionen»: «Für Gottesdienste bräuchte es tatsächlich keinen Raum hier. Für uns ist aber wichtig, dass wenn weltweit einmalig ein solches Haus entsteht, nicht nur die zugewanderten Religionsgemeinschaften vertreten sind. Auch die in unserer Gesellschaft grösste Gemeinschaft soll vor Ort sein und täglich mit den anderen Gemeinschaften in Dialog treten. Nicht nur am runden Tisch, sondern indem man gemeinsam unter einem Dach wohnt.»
Ein Kontrapunkt zum grassierenden Fundamentalismus
Der Dialog ist ein wichtiger Teil des Konzepts. Die fünf Sakralräume öffnen sich in der Mitte des Hauses zu einem «Dialogbereich». Hier soll interreligiös und öffentlich diskutiert werden.
Wie werden die monotheistischen Muslime und Christen mit den polytheistischen Hindus und den atheistischen Buddhisten über die «Allmacht Gottes» debattieren? Wie über die Rolle der Frau in den verschiedenen Religionen? Werden heisse Eisen wie Antisemitismus oder Islamophobie aufs Tapet kommen? Mutig und ermutigend ist das Berner «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen» allemal. Es stellt einen Kontrapunkt zum grassierenden Fundamentalismus dar.