Anlässlich des «Journée nationale de la Resistance» hat Frankreichs Staatspräsident François Hollande beschlossen, neben den Widerstandskämpfern Pierre Brossolette und Jean Zay auch – symbolisch – die sterblichen Überreste zweier Frauen ins Pariser Panthéon aufzunehmen: Geneviève de Gaulle-Anthonioz (1920-2002) und Germaine Tillion (1907-2008).
Beide Frauen waren in der Résistance, beide wurden ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, beide überlebten. Sie setzten sich Zeit ihres Lebens für Ausgegrenzte und Entrechtete ein. «Das ist eine grosse Ehre», sagt Isabelle Gaggini-Anthonioz, die Tochter von Geneviève de Gaulle-Anthonioz.
Die Zerstörung der Seele
1944 wird die 23-jährige Geneviève de Gaulle, die Nichte des Generals Charles de Gaulle, als Nummer 27'372 nach Ravensbrück deportiert. Dort begegnet sie der dreizehn Jahre älteren Germaine Tillion, einer renommierten Ethnologin, und freundet sich mit ihr an. Beide Frauen überleben das Lager.
Germaine Tillion veröffentlicht bald nach ihrer Rückkehr ihr Buch «Konzentrationslager Ravensbrück»: eine präzise, nüchterne und wissenschaftliche Analyse des ausbeuterischen Lagersystems. Geneviève de Gaulle-Anthonioz hingegen schreibt erst ein gutes halbes Jahrhundert später in «La Traversée de la nuit» («Durch die Nacht») über ihre Zeit im Konzentrationslager. Die Zerstörung der Seelen, hält sie fest, sei schlimmer als der Tod selbst.
Eine glückliche Familie gründen
Die Lagererfahrung hat unauslöschliche Spuren hinterlassen und verbindet die beiden Frauen Zeit ihres Lebens miteinander. Sie engagieren sich bei ADIR, einem Zusammenschluss internierter und deportierter Frauen des Widerstands. Menschenwürde, Brüderlichkeit, Solidarität – das werden fortan ihre beherrschenden Themen.
Die Ethnologin Germaine Tillion bleibt ledig, Geneviève de Gaulle heiratet nach dem Krieg den Verleger Bernard Anthonioz und hat mit ihm vier Kinder. «Meine Mutter», sagt ihre Tochter Isabelle Gaggini-Anthonioz, «wollte auch glücklich sein, eine glückliche Familie gründen, und das ist ihr gelungen».
Gegen Verwahrlosung und Entwurzelung
Germaine Tillion nimmt Mitte der 1950er-Jahre ihre Arbeit als Ethnologin wieder auf. In Algerien setzt sie sich für Entrechtete ein und untersucht die Mechanismen der Verelendung. «Das Verbrechen unserer Zeit wird die Clochardisation – die Verwahrlosung und Entwurzelung – von drei Vierteln der Menschheit sein, die auf der ganzen Welt im Gange ist», schreibt sie in ihrem Buch «Algerien 1957».
Geneviève de Gaulle-Anthonioz wird Mitarbeiterin des Kulturministers André Malraux – bis sie 1958 Joseph Wresinski kennenlernt. Der polnischstämmige Pater führt sie in die Elendssiedlungen in Noisy-le-Grand, einem Vorort von Paris. Ein Schock.
Der verzweifelte Gesichtsausdruck der Obdachlosen erinnert Geneviève de Gaulle-Anthonioz an die Hoffnungslosigkeit in den Augen ihrer KZ-Kameradinnen. «Da hat meine Mutter alles hinter sich gelassen und sich bei der Menschenrechts-Organisation ATD Vierte Welt engagiert, um den Kampf gegen die Armut aufzunehmen», erinnert sich Isabelle Gaggini-Anthonioz.
Nur eine Handvoll Erde
Eine höhere Würde, als im 1791 eingerichteten Panthéon bestattet zu werden, gibt es in Frankreich kaum. Die Frauen, die nun geehrt werden und die sich gegen Unrecht zur Wehr setzen, verkörpern – so Präsident Hollande – die Werte Frankreichs: Germaine Tillion steht mit ihrem Einsatz für Algerien für die Gleichheit, Geneviève de Gaulle-Anthonioz im Kampf gegen die Ausgrenzung für die Brüderlichkeit.
Allerdings: Die beiden werden heute nur symbolisch überführt. Ihre Familien haben entschieden, dass ihre Überreste dort bleiben, wo sie bestattet wurden. Nur eine Handvoll Erde aus ihrem Grab findet sich nun in den Särgen, die ab heute im Panthéon einen Platz einnehmen.