Kürzlich auf der Piste: Da fährt ein Vater um die 50 mit dem Snowboard den Hang hinunter, seine Kurven sind gleichförmig, sein Tempo angepasst. Ihm folgen die beiden Töchter – auf Skiern. Man fragt sich: Was ist passiert? Snowboarden war mal Jugendkultur und Protest, Coolness und Kult. Heute sind die «Snöber» nicht mehr die Coolen – aber welche Wintersportart liegt denn dann im Trend?
Früher folgte die Masse
«Grosse Trends, wie es sie vor zehn, zwanzig Jahren gab, existieren heute nicht mehr», sagt Karin Frick, Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut. Früher hatten Trends klare Mechanismen: «Einer begann mit etwas Neuem, das bei anderen auf Resonanz stiess; einzelne ahmten ihn nach, dann folgte die Masse.»
Beim Snowboard hiess der Pionier Jake Burton. Seine gleichnamige Marke prägte die junge Sportart wie keine andere. Mitte der 1990er war das Snowboard Kult. Wer mit ihm durch den Tiefschnee carvte, war unabhängig und frei, hatte Charisma und Stil.
Mittlerweile ist das Snowboard ein Wintersportgerät unter vielen. Der Sportartikelverkäufer Ochsner Sport gibt an, er verkaufe heute nur noch ein paar wenige tausend Boards; früher seien es mehrere zehntausend pro Saison gewesen.
Der Trend zum Mikrotrend
Wie kommt es, dass eine Sportart, die jahrelang hip war, zunehmend verschwindet? Die Antwort ist einfach: Das Snowboard wurde verdrängt. Aber nicht von einem anderen grossen Trend, sondern von zahlreichen Mikrotrends. Jede Subkultur, jede Gruppe hat heute ihre eigenen Trends. «Trends funktionieren überhaupt nur noch in Nischen», erklärt Karin Frick, «die Masse erreichen sie nicht mehr.»
Der Grund dafür ist die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft. Jeder will speziell sein; will selbstdesignte Turnschuhe, massgeschneiderte Jeans oder ein selbstzusammengestelltes Müesli. «Je ausgeprägter die Individualisierung, desto weniger kann man sagen, was Trend ist», sagt Karin Frick.
Dann hätte das Snowboard – wäre es eben erst erfunden worden – heute keine Chance mehr, ein Massentrend zu werden? «Nein», sagt Frick, «es gibt einfach zu viele attraktive Konkurrenzangebote wie Skifahren, Schneebiken, Schneeschuhwandern oder Langlaufen.»
Alles ist jederzeit zu haben
Wie dem Snowboard erging es in den vergangenen Jahren auch anderen Kultobjekten, in allen möglichen Branchen. Beispiel Red Bull, «das letzte Getränk, das sich global im grossen Stil durchsetzen konnte», sagt Karin Frick. Heute konkurriert es mit Dosenkaffee, Mate-Tee und Smoothies.
In der Mode verhält es sich ähnlich: «Designer rechnen nicht mehr damit, die Massen zu erreichen, sie produzieren nur noch für ein Nischenpublikum – dafür bringen sie umso mehr Kollektionen auf den Markt», erklärt Frick.
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Ich bestimme, was ich will, und wann ich es will – dieses Credo scheint die heutige Gesellschaft zu prägen. Und das hat nicht zuletzt mit den Medien zu tun, die die Vielfalt der Angebote spiegeln. Aber auch mit der heutigen Technik: Jeder bestimmt selbst, wann er welche Serie sehen möchte oder welche Musik er hören will – alles ist jederzeit zu haben. Laut Karin Frick fördert das die Haltung: «Sei nicht wie die anderen, sei speziell».
In diesem Sinne ist allerdings der Snowboardvater total im Trend. Weil er macht, wonach ihm der Sinn steht. Angesagt ist heute, was gefällt.