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Das Produktionsfoto zeigt eine Szene, in der ein Dreizehnjähriger in der Synagoge bei der traditionellen Bar-Mizwa: der Junge steht in der Mitte vor dem Pult, auf dem die Tora liegt, rechts und links von ihm die Regisseure, umrahmt von zwei alten Herren, den Vorbetern. Alle blicken leicht zu Boden und scheinen konzentriert.
Legende: Die Coen-Brüder bei den Dreharbeiten zu dem Film «A Serious Man» aus dem Jahr 2009. Working Title Films

Gesellschaft & Religion Judentum und Popkultur: Kleine Szene, grosser Einfluss

Jüdische Schauspieler und Musiker spielen in der US-Massenkultur eine wichtige Rolle. Ob im Film – von Steven Spielberg bis zu den Coen-Brüdern – oder in der Musik – von Leonard Cohen bis zu den Beastie Boys. Aber gibt es überhaupt so etwas wie eine jüdische Popkultur?

In den USA leben knapp 6 Millionen Juden – das sind zwar nur 2 Prozent der US-Gesamtbevölkerung, aber die Präsenz der jüdischen Community im Showbusiness ist gross. Der Basler Kulturwissenschaftler Caspar Battegay hat dieses Phänomen in seinem Essay «Judentum und Popkultur» untersucht.

Ironisierung von Stereotypen

Battegays Essay beginnt mit Woody Allen. Woody Allen sei wie ein Grossvater, der von den Jungen bereits wieder karikiert werde, sagt Battegay. Denn die nachfolgende Generationen haben Allens komisches Leiden am jüdischen Minderheitenstatus überwunden – gerade auch dank der Popkultur.

«Stereotyping Jews is terrible!»

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Caspar Battegay: Judentum und Popkultur – Ein Essay. Transcript, 2012.

Trotzdem werde weiter mit dem Minderheits-Mehrheits-Gefühl gespielt. Etwa in der TV-Zeichentrick-Serie «South Park», die regelmässig jede Political Correctness auf die Schippe nimmt.

In der «South Park»-Synagoge ruft einmal ein Mann aus: «Stereotyping Jews is terrible!» – «Juden zu stereotypisieren ist schrecklich!». Er selbst sieht aber aus wie ein antisemitischer Sterotyp eines Juden. Das zeige, dass man von Stereotypen nie loskomme, sie aber ironisieren könne, so Battegay.

Europa ignoriert die jüdisch-amerikanische Selbstironie

Da die meisten US-Serien auch ein grosses Publikum in Europa haben, führt das zu einem Konflikt: Hier trifft die jüdisch-amerikanische Selbstironie nun auf eine Gesellschaft fast ohne Juden. Caspar Battegay hat vor allem den Transfer nach Deutschland analysiert: Anspielungen auf jüdische Feste oder Gebräuche werden hier meist gar nicht verstanden, der originale Witz verliert sich in falscher Synchronisation, und mehr noch: das Jüdische werde schlicht ignoriert, meint Battegay.

Erfolgreiche jüdische Comedyszene

Grosses Interesse fand in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings die kleine jüdische Comedyszene im deutschsprachigen Raum: Filme von Danny Lewy wie «Alles auf Zucker!», oder auch Comedians wie Oliver Polak mit seinem Programm «Ich bin Jude, ich darf das». Aber so verspielt wie die US-amerikanischen Vorbilder könne das Jüdische hier jedoch nicht agieren, meint Battegay, das deutsche Comedy-Publikum sei allzu bemüht, unverkrampft zu lachen.

Herausforderung für Übersetzer: «Did ‹Jew› eat?». Eine Szene aus Woody Allens «Annie Hall».

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