Im Mai 2007 wurde Präsidentschaftskandidat Barack Obama während einer Spendenveranstaltung in Montclair, New Jersey, gefragt, wie er einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern erreichen wolle. Obama, schreibt Peter Beinart in seinem Buch «Die amerikanischen Juden und Israel – was falsch läuft», habe mit einer Geschichte geantwortet: Philip Randolph, ein bedeutender afroamerikanischer Arbeiterführer, habe Franklin D. Roosevelt einmal sein Herz ausgeschüttet und ihn angefleht, sich der schwarzen US-Amerikaner anzunehmen. Roosevelt habe ihm in jeder Hinsicht zugestimmt, was die katastrophale soziale Lage dieser Minderheit betraf, hatte jedoch seinerseits eine Bitte: «Bringt mich dazu, es zu tun!» Dasselbe, so Beinart, habe Barack Obama in Montclair geantwortet: «Bringt mich dazu, es zu tun!»
Appell ungehört verhallt
Inzwischen ist Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident. Aber sein Appell an die jüdische Bevölkerung in den USA, so der 42-jährige Publizist und Politikwissenschaftler Beinart, sei «weitgehend ungehört verhallt.»
Der politische Kurs des organisierten amerikanischen Judentums werde nach wie vor «von einem Establishment vorgegeben, das die Unterstützung für Israel mit der Unterstützung der israelischen Regierung gleichsetzt, anstatt sich für eine Verwirklichung der Prinzipien der israelischen Unabhängigkeitserklärung einzusetzen.»
Doch das amerikanisch-jüdische Establishment «liegt im Sterben, und zwar buchstäblich», schreibt der liberale Zionist. «Die grossen jüdischen Organisationen werden in den USA überwiegend von Männern geführt, die mehr als 60 Jahre alt sind – und bei Treffen mit ihren grossen Gönnern zu den jüngsten im Raum zählen.»
Düstere Analyse
Beinarts faktenreich dokumentierte Chronik einer bröckelnden Demokratie in Israel und der kritiklosen Solidarität der jüdischen Organisationen in den USA hat in Israel wie in den Vereinigten Staaten eine heftige Kontroverse ausgelöst. Denn der Autor lässt es nicht bei der Analyse des Problems bewenden. Er ruft die jüdische Bevölkerung der USA auch dazu auf, sich vermehrt und aktiv für Israel und seine demokratischen Grundwerte zu engagieren.
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Doch das ist leichter gesagt als getan: Das Gros der jüdischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten ist inzwischen weitgehend in den Mainstream integriert. Für viele, insbesondere die junge Generation, ist Israel weit weg und nur ein Thema unter vielen. Selbst der Nachwuchs der heutigen Führungsriege des organisierten Judentums wird sich nach Beinarts Einschätzung nicht mehr im gleichen Masse engagieren. «Deren Kinder sind noch stärker assimiliert», meint Beinart im Gespräch und prognostiziert, dass diese Verbände «künftig zunehmend von Orthodoxen geführt und dominiert werden.»
Damit dürften die etablierten Organisationen (von denen AIPAC die wichtigste ist) weiter nach rechts rücken. Denn Orthodoxe wählen in den USA bereits heute republikanisch, während das Gros der jüdischen Bevölkerung traditionell demokratisch wählt.
Hoffnungsschimmer: egalitäre Junge
Doch Beinart ortet den Riss in der jungen Generation «nicht nur zwischen Orthodoxen, denen die Demokratie Israels wenig bedeutet und säkularen Juden, denen Israel nicht viel bedeutet». Er beschreibt ein drittes Lager: Jene jungen Leute, denen ihre jüdische Identität «viel bedeutet und die ebendeshalb unter der Politik Israels leiden.»
Wenn auch zahlenmässig noch vergleichsweise bescheiden, hat diese dritte Gruppe für Beinart grosses Potenzial. Viele dieser jungen Frauen und Männer gehörten der sogenannten unabhängigen Minjan-Bewegung an. Entstanden sei sie im Laufe von etwas mehr als zehn Jahren. Diese Strömung fühle sich dem jüdischen Volk verpflichtet und «bis zu einem gewissen Grad auch den jüdischen Geboten und dem jüdischen Wissen», so Beinart. Gleichzeitig versuche sie aber, diese Werte mit liberalen Idealen in Einklang zu bringen, zum Beispiel mit der Gleichstellung von Frauen, Schwulen und Lesben.
Beinart appelliert in seinem Buch deshalb mehr oder weniger explizit an diese Bewegung, «ihre Werte künftig auch in den Kontext des israelisch-palästinensischen Problems zu stellen» und ist überzeugt, dass diese Strömung «einen bedeutenden Beitrag zur jüdischen Führung der nächsten Generation» leisten wird.