Ach, wie schön wäre das: Ich schmeiss' eine Pille ein oder zieh mir eine Linie. «Krawumm» bin ich unglaublich kreativ, setze mich ans Klavier und die Melodie rinnt nur so aus meinen Fingern. Oder ich stelle mich an die Leinwand und der Pinsel überträgt meine kreativen Ideen wie selbstverständlich. Ach, wie schön wäre das.
«Den Ich-Zerfall, den süssen, tiefersehnten...»
Dieser Mythos, dass Künstler gerne mal nachhelfen und mit diversen Substanzen ihre Pforten der Wahrnehmung öffnen, hält sich schon lange. Und in der Tat finden sich unzählige Beispiele in der Kunst- und Kulturgeschichte für leichten bis exzessiven Drogenmissbrauch.
Hieronymous Bosch soll halluzinogenen Substanzen ganz und gar nicht abgeneigt gewesen sein und pflanzte in seinem «Garten der Lüste» auch Stechapfel an, die Halluzinationen auslösen sollen. Lou Reeds «Perfect Day» soll die Beschreibung eines perfekten Trips sein, die Beatles haben mit « L ucy in the s ky with d iamonds» angeblich eine Hymne auf LSD geschrieben, was aber von McCartney & Co. nie offiziell bestätigt wurde. Und Gottfried Benn feierte «seine» Droge Kokain in den gleichnamigen Gedichten: «Den Ich-Zerfall, den süssen, tiefersehnten, Den gibst du mir: schon ist die Kehle rauh, schon ist der fremde Klang an unerwähnten Gebilden meines Ichs am Unterbau.» Eine Aufzählung, die sich unendlich weiterführen liesse.
Alles hängt von der Hirnchemie ab
Unterhält man sich mit Neurologen und Psychologen über den Zusammenhang von Drogen und Kreativität, kommen sie schnell ins Wanken. Und sie haben recht. Denn verallgemeinern kann man gar nichts, was Drogen anbelangt. Jede Droge kann bei jedem Menschen unterschiedlich wirken, je nach individueller Hirnchemie. Auch haben die Drogen verschiedene Wirkungen.
Klar scheint jedoch: Kokain steigert das Selbstbewusstsein rapide, zumindest für einen Moment. Es stärkt aber eher die Leistungsfähigkeit als die Kreativität. Man kann sich unter Kokaineinfluss besser auf eine Sache fokussieren, aber die Flexibilität, auch andere Perspektiven in Betracht zu ziehen, leidet. Heroin hingegen ermöglicht ein intensives Belohnungserlebnis, man erfährt eine völlige Angst- und Sorgenfreiheit – solange die Substanz wirkt. Und halluzinogene Drogen, wie zum Beispiel LSD, können rauschende Farb- und Fantasiespiele auslösen.
Hyperventilieren hat denselben Effekt
Aber wird man dadurch auch kreativer? Einen Beweis dafür kann man nirgends finden. In den 50er- und 60er-Jahren machte man Tests mit Lysergsäurediethylamid – LSD. Damals ging man davon aus, dass LSD die Kreativität steigern könnte. Doch die psychedelische Kunst, die dabei herauskam, gehört nicht zu den Glanzlichtern der Kunstgeschichte. Und viele Wissenschaftler sind sich einig, dass Drogen sich negativ auf technische Fähigkeiten auswirken. Allerdings berichten sie auch von Nobelpreisträgern, die mit Hilfe von Drogen Lösungen zu komplizierten Rätseln halluzinierten.
Auf die Frage, woher aber dieser Mythos käme, können Wissenschaftler zumindest eins sagen: Durch Drogen verändert sich zeitlich beschränkt die Wahrnehmung und dadurch kann man eingefahrene Denkmuster schneller verlassen und neue Assoziationen herstellen. Als Folge davon kann durchaus Neues entstehen.
Im Übrigen lässt sich dieser Effekt auch mit anderen Mitteln, wie Meditation, Atemübungen oder Hyperventilieren herstellen. Auch emotional wichtige Erlebnisse im Leben, wie die Geburt eines Kindes oder der Tod eines nahen Menschen, können uns stark beeinflussen, so dass wir uns in alternative Denkmuster begeben. Das alles, was aus diesen neuen Situationen entsteht, grosse Kunst ist, darf aber bezweifelt werden.