- Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich fordert Nicolas Sarkozy einen härteren Kurs in puncto Einwanderung – mit ähnlicher Sprache wie der Front National.
- Seine Konkurrentin Marine Le Pen spricht geschliffen und pointiert, distanziert sich aber von den polemischen Wortgefechten ihres Vaters Jean-Marie Le Pen.
- Die Strategie Le Pens zeigt Wirkung: Wähler nehmen den Fornt National nicht mehr als Protestpartei, sondern als politische Alternative wahr.
Zwei Reaktionen, eine Aussage
«Weiterhin so viele Ausländer nach Frankreich zu holen, ist ein gravierender Fehler.» Dies sagte Marine Le Pen, Präsidentin des Front National, im Juli nach dem Terroranschlag in Nizza mit 86 Toten.
Aus dem gleichen Anlass äusserte sich Nicolas Sarkozy, Präsident der bürgerlichen Oppositionspartei Les Républicains: «Wir können nicht weiter Menschen in unser Land lassen, für die wir keinen Wohnraum, kein Geld und keine Arbeit haben.»
Eine Annäherung in vielen Punkten
Nicolas Sarkozy spricht wie Marine Le Pen. Kein Zufall: Sarkozys politisches Programm deckt sich, mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr, in vielen Punkten mit jenem von Marine Le Pen.
Der ehemalige Präsident fordert drastische Einschränkung der Einwanderung und eine restriktive Einbürgerung. Kinder, die in Frankreich geboren werden, sollen etwa nicht mehr automatisch die französische Staatsbürgerschaft erhalten.
Sarkozy spricht ausserdem vom Entzug der Staatsbürgerschaft für verurteilte Straftäter und davon, in Frankreich keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen.
Mehr Populismus bei den gemässigten Rechten
So glaubt Sarkozy, Wähler für sich zu gewinnen, die in der Vergangenheit den Front National wählten. Der Kurswechsel beweist, wie die alten politischen Forderungen der extremen und populistischen Rechten heute im gemässigteren rechten Lager aufgenommen und weitergetragen werden. Das zeigt sich insbesondere bei der Definition des Begriffs der «Nation».
Alles Fremde als Gefahr
Jean-Yves Camus, Politologe und Direktor der Forschungsstelle für politische Radikalisierung in Paris, stellt fest:
«Die politische Rechte versteht den Nationalstaat nicht als ein rechtsstaatliches Gefüge, dem sich Bürger zugehörig fühlen, sondern als biologischen Organismus. Folglich gefährdet alles Fremde als ‹Parasitäres› die Gesundheit dieses Organismus.»
Terroristen spielen Le Pen in die Hände
Anders gesagt: Fremd ist, was nicht französisch ist, was Europa über den Nationalstaat stellt und wer nicht seit Generationen in einer christlich-abendländischer Gesellschaft aufgewachsen ist. Marine Le Pen hat solche Argumente fest in der politischen Debatte verankert. Die Terroranschläge islamistischer Fundamentalisten in Frankreich haben ihr dabei geholfen.
Erreicht hat sie das allerdings nicht mit jenen polemischen Wortgefechten, die bis heute das Markenzeichen sind des Gründers des Front National, Jean-Marie Le Pen. Ganz im Gegenteil.
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Geschliffene Rhetorik, kaum Polemik
Marine Le Pen sieht sich als Chefin einer ganz normalen politischen Partei. Ihre Rhetorik ist geschliffen, zuweilen zynisch, aber kaum je polemisch.
Seit 2012 an der Spitze des Front National, hat sie diese Partei modernisiert. Sie hat die Parteileitung mit Personen besetzt, die ihre politische Karriere nicht selten in den traditionellen bürgerlichen Parteien begonnen haben. Thematisch hat sich die Partei geöffnet.
Politisch ist der neue Kurs von Marine Le Pen sehr erfolgreich: Bei den Regionalwahlen Ende 2015 erhielt der Front National knapp ein Drittel aller Stimmen. Zuvor brillierte die Partei in den Europawahlen und bei den Kommunalwahlen.
Alternative statt Protestpartei
«Wirtschaftskrise, grosse Zukunftssorgen in der Gesellschaft – aus dieser Grundstimmung kann der Front National optimal politisches Kapital schlagen», sagt der Politologe Jean-Yves Camus.
Auch in den Augen einer steigenden Zahl von Wählerinnen und Wählern ist der Front National keine Protestpartei mehr, sondern eine politische Alternative zu den etablierten Parteien.
Dieser gemässigte Kurs des Front National unter Marine Le Pen kommt freilich einer Gratwanderung gleich, ist Jean-Yves Camus überzeugt: «Positioniert sich der Front National nur wenig weiter rechts als die Républicains, dann verliert er bei seinen Stammwählern an Attraktivität.»