Die Erfindung des Internets. Der Anschlag auf das World Trade Center. Die Finanzkrise ab 2007. Solche weltverändernden Grossereignisse geschehen meist unerwartet. Das behauptet der libanesische Risikoforscher Nassim Taleb in seinem Bestseller «Der Schwarze Schwan – Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse».
Laut Taleb ist unsere Welt zu komplex, als dass wir sie verstehen könnten. Statt Prognosen zu stellen, sollten wir uns besser eine Eigenschaft antrainieren, die er «Antifragilität» nennt. Darunter versteht Taleb die Kraft, durch Krisen und Strapazen stärker zu werden – ähnlich wie Hydra, das schlangenköpfige Ungeheuer der griechischen Mythologie, der zwei Köpfe nachwachsen, wenn man ihr einen abschneidet.
Lebe gefährlich!
Egal, ob es sich um uns als Individuen, um die Gattung Mensch, um einzelne Unternehmen, Staaten oder um das Wirtschaftssystem als Ganzes handelt: Wer langfristig überleben will, muss antifragil werden und lernen, unter Belastungen nicht zusammenzubrechen. Wir müssen uns nach Taleb angewöhnen, im Kleinen zu scheitern, um im Grossen zu überleben.
«Raus aus der Komfortzone!», lautet seine an Nietzsche und Seneca orientierte Forderung. Unser menschlicher Körper macht es vor: Wenn wir mit Hanteln Krafttraining machen und uns Belastungen aussetzen, werden wir stärker. Aber auch die Natur ist für Taleb ein Vorbild in Sachen Antifragilität: Durch Vielfalt und den Druck der Umwelt passt sie sich ständig an und wird immer robuster.
Mach es wie die Schweiz – klein, aber oho
Der einstige Finanzmathematiker und Börsenhändler gibt konkrete Ratschläge, wie wir unsere Gesellschaft und Wirtschaft nach dem Modell der Natur antifragiler gestalten können. Der vielleicht wichtigste lautet: Wer Risiken eingeht, sollte auch die Konsequenzen tragen, wenn‘s schief geht. Taleb nennt diese Regel «Skin in the Game» – die eigene Haut aufs Spiel setzen.
Beiträge zum Thema
Ein zweiter wichtiger Ratschlag lautet: Werde nicht zu gross – «Small is Beautiful». Genau dafür lobt Taleb die Schweiz mit ihrem föderalistischen und basisdemokratischen System. Grosse und zentralistische Systeme seien nämlich fragil und deshalb nicht nachhaltig.
Auf Altbewährtes setzen
In der Sendung «Sternstunde Philosophie» verrät der äusserst gefragte, aber medienscheue Denker, warum wir damit rechnen sollten, dass es in 30 Jahren zwar noch Bücher, aber keine Smartphones mehr geben wird.
In der Regel gelte nämlich: Wenn etwas schon lange existiert, wird es auch noch lange weiterleben. Vielleicht gilt der belesene und brillante Intellektuelle aufgrund solch unkonventioneller Äusserungen als «heissester Denker auf dem Planeten» («Sunday Times»).