«Seit dem 22. Juli 2011 vergeht kaum ein Tag, ohne dass wir an diese schrecklichen Taten erinnert werden», sagt Ole Morten Jensen. Er lebt mit seiner Familie auf dem Festland, nur einen knappen Kilometer von Utöya entfernt. Auf dieser idyllischen Ferieninsel richtete vor drei Jahren der norwegische Rechtsextremist Anders Behring Breivik ein Massaker unter jugendlichen Teilnehmern eines sozialdemokratischen Sommerlagers an.
69 Menschen starben, hunderte wurde zum Teil schwer verletzt. Dies nachdem er zuvor in der gut 40 Kilometer entfernten Hauptstadt Oslo eine Autobombe gezündet hatte. Grosse Teile des Regierungsquartiers wurden in Schutt und Asche gelegt, acht Menschen wurden getötet. Das schwerste Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg lässt Norwegen bis heute nicht in Ruhe. Dies obwohl der Täter selbst nach einem sorgfältig durchgeführten Prozess vor zwei Jahren zu lebenslanger Verwahrung verurteilt worden ist.
Ort des Erinnerns und der Verständigung
Die frühere rot-grüne Regierung des Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg kündigte bereits am ersten Jahrestag der Anschläge an, in Oslo und bei der Ferieninsel Utöya zwei Gedenkstätten errichten zu wollen. Über 300 Projekte aus fast 50 verschiedenen Länder bewarben sich im Rahmen einer internationalen Ausschreibung.
Vor kurzem wurde bekannt, dass der schwedische Künstler Jonas Dahlberg mit seinem Projekt «Memory Wounds» für die Realisierung ausgewählt wurde: Dahlberg will einen symbolträchtigen Schnitt in eine kleine Landzunge am Seeufer schneiden. Während auf der einen Seite des drei Meter breiten Einschnittes eine Besucherplattform entstehen soll, werden die Namen der Opfer auf der anderen Seite in eine Betonwand gegossen. Mit dem abgetragenen Material soll gleichzeitig im Osloer Zentrum ein kleines Amphittheater errichtet werden, wo Menschen – so Dahlberg – «miteinander reden und sich verständigen können».
Betroffene wollen keine Instrumentalisierung
Während Dahlberg siegreiches Projekt in Kunstkreisen als innovativer und durchdachter Ansatz gelobt wird, hat der Entscheid unter Angehörigen und Anwohnern der Stätten für Entrüstung gesorgt: «Ich will meine ermordete Tochter nicht instrumentalisieren lassen», sagte die Mutter eines zur Tatzeit erst 13 Jahren alten Mädchens und Breivik-Opfers. Sie bemängelt, dass sie und andere Angehörige im Verlaufe des Ausschreibungsprozesses nie konsultiert wurden.
Noch deutlicher wird der Anwohner Ole Morten Jensen: «Wir wollen nicht, dass aus dieser schrecklichen Tat eine Touristenattraktion vor unserer Haustür wird.» Zusammen mit weiteren Anwohnern hat Jensen eine Facebook-Gruppe gegen die Gedenkstätten gegründet, auf der sich schon über 1000 Personen eingetragen haben.
Alles nach Plan
Auch manche Anwohner der auf der Festlandseite von Utöya vorgesehenen Anlage beklagen sich, dass sie im Laufe der Vorbereitungen nie gefragt wurden. Das möchte die staatliche Fachstelle KORO, welche das Projekt managt, nun nachholen, erklärte deren Leiter Svein Björkås in der letzten Woche. Von Korrekturen am ausgewählten Projekt möchte Björkås allerdings nichts wissen: «Die beiden Stätten sollen nach Plan am 22. Juli 2015 eingeweiht werden.»
Von dieser Eile hält die Mutter des auf Utöya getöteten Mädchens nichts: «Wir sind auch in vier, fünf Jahren noch da», erklärte sie in einem Interview mit dem norwegischen Fernsehen und bat die Öffentlichkeit, «uns doch mehr Zeit für die notwendige Trauerarbeit zu geben».