«Ich spreche Spanisch zu Gott, Italienisch zu Frauen und Deutsch zu meinem Pferd»: Karl V. brachte auf den Punkt, was viele noch heute denken: In der Sprache eines Volkes spiegelt sich seine Kultur, seine Seele, seine Denkweise. Ist das tatsächlich so? Oder prägen Klischees unser Bild einer Sprache?
Sprache ist ein Werkzeug für Hazel Brugger
«Die Italiener können sich anschreien, ‹ciao› rufen und wirken trotzdem freundlich», sagt die Slam-Poetin Hazel Brugger auf die Frage nach dem Klang der Sprache. Die 21-Jährige beschäftigt sich berufsbedingt mit Sprache. Ausprobieren, ob sich etwas reimt. Toast auf Prost, zum Beispiel. Der Klang, die Lautstärke, die Melodie spielen bei der Slam-Poetry eine grosse Rolle. Manche Leute, so Brugger, empfänden es gar wie einen Rap. Zack. Zack. Zack. Wie Munition rausgehauen.
Ein Liebeslied in allen Sprachen
Wenn der deutsche Musik-Kabarettist Bodo Wartke sein Liebeslied in allen Sprachen auf der Bühne antönt, hat er die Herzen gewonnen. In 88 Sprachen hat sich der Musiker das Lied mittlerweile erarbeitet. In jeder Sprache wird Wartke zu einer anderen Person.
Als Clou lässt er das Publikum eine Sprache wünschen. Und wenn er bei seinen Auftritten in der Schweiz am Schluss den Refrain in Berndeutsch singt, liegt ihm spätestens bei der Stelle «putzt und gstrählt» das Publikum zu Füssen. Wir lieben den Klang unserer eigenen Sprache sehr, keine Frage. «Doch ‹Ich liebe dich› klingt in jeder Sprache schön», findet Bodo Wartke. Er hat sogar eine App entwickelt, den «Liebesliedgenerator» . Jeder kann den Song in seiner Lieblingssprache herunterladen.
Formt Sprache das Denken?
«Die Deutschen haben einen ordentlichen Geist, weil ihre Sprache ordentlich ist.» Der Satz ist ein Mythos, wie sich überhaupt viele Mythen um die Sprachen ranken. Vom Philosophen und Mathematiker Bertrand Russell stammt das Zitat von 1889: «Wir können den Charakter eines Volkes an den Ideen studieren, die seine Sprache am besten zum Ausdruck bringt. Das Französische beispielsweise hat Wörter wie ‹spirituel› oder ‹l’esprit›, die sich im Englischen kaum ausdrücken lassen. Daraus ziehen wir den Schluss, dass die Franzosen mehr ‹esprit› haben als die Engländer.»
Ist das so? Reden wir vom Klang der Sprache, landen wir schnell bei der Kultur eines Landes und inwiefern sie eine Sprache prägt. Und bei der philosophischen Frage, ob die Sprache unser Denken formt. «Ich glaube, dass es das Denken beeinflusst, je mehr Worte wir in einer Sprache zur Verfügung haben», meint Bodo Wartke. Bis heute bleibt die Frage unbeantwortet. Globale empirische Sprachforschung: bei mehr als 6000 Sprachen auf der Welt ein unmögliches Unterfangen.
Das hässliche «Sauerkraut»
Doch der Klang der Sprache wirkt auf uns. Die Rede, die Charlie Chaplin in «Der grosse Diktator» in seiner Persiflage auf Adolf Hitler hält, ist in einer Kunstsprache gehalten. Für das englischsprachige Publikum klingt sie wie hässliches Deutsch. Selbst der deutsche Zuhörer kann nicht umhin, die Ähnlichkeit herauszuhören.
«Chaplin mixt deutsche Reibelaute, die sogenannten Frikative, mit deutschen Ausdrücken. ‹Sauerkraut› zum Beispiel. Der Rest ist Gestik und Habitus», analysiert Professor Volker Dellwo vom phonetischen Institut der Uni Zürich das geniale Kabinettstückchen Chaplins. Dellwo räumt ein, dass historische Konnotationen sicher eine Rolle spielen, wie wir eine Sprache empfinden. «Wie wir den Klang einer Sprache empfinden, ist jedoch immer der Mode unterworfen», erläutert der Phonetiker. Für ihn ist Sprache in erster Linie ein akustisches Signal, das sich messen lässt. Da sind alle Sprachen gleich.
Das Thema Sprache beschäftigt. Wir lieben und hassen sie. Wir verständigen uns durch sie. Wir fühlen und denken durch sie. Doch wir transportieren auch vieles unbewusst durch sie. Am Ende heisst es immer noch: «C’est le ton qui fait la musique».