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Tolokonnikowa auf einer Bühne, neben ihr eine andere Frau mit einer bunten, gestrickten Maske.
Legende: Nadja Tolokonnikowa mit «Pussy Riot»-Mitglied Maria Alyokhina im September 2015. Getty Images

Gesellschaft & Religion «Pussy Riot»-Aktivistin Nadja Tolokonnikowa in Zürich

Mit Pussy Riot sorgte Nadja Tolokonnikowa in Russland für einen Skandal. Sie bezahlte ihn mit zwei Jahren Lagerhaft. In ihrem neuen Buch ruft die Aktivistin ungebrochen zu politischer Veränderung auf. Diese sei möglich, sagt sie.

Nadja Tolokonnikowa, wie hat Sie die knapp zweijährige Lagerhaft verändert?

Mit Sicherheit hat sie mich nicht gebrochen. Auch wenn ich natürlich nicht ins Lager zurück möchte, hatte die Zeit doch etwas Positives: Ich lernte Menschen unterschiedlichster Herkunft kennen und erfuhr dabei viel darüber, wie das russische Volk heute denkt. Als Politaktivistin habe ich vorher stets unter einer Käseglocke von meinesgleichen gelebt.

Nadja Tolokonnikowa

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Legende: Keystone

Die 1989 geborene Aktivistin ist Mitglied der feministischen Punkformation «Pussy Riot». 2012 führte sie in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein «Punk-Gebet» auf, das Putin und die russisch-orthodoxe Kirche kritisierte. Tolokonnikowa und zwei weitere junge Frauen wurden zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.

Ihr Leben steht im Zeichen des Protests. Was stört Sie am meisten im heutigen Russland?

Die Intoleranz und die Unmöglichkeit, eine Meinung öffentlich auszudrücken, auch wenn sie nicht dem Mainstream entspricht. Ich möchte sagen können, dass ich gegen Putin bin, gegen den Krieg in der Ostukraine und gegen die Annexion der Krim. Wer dies in aller Öffentlichkeit tut, lebt jedoch gefährlich.

Sie haben jetzt aber dieses Buch geschrieben, in dem Sie auch nicht mit Kritik hinter dem Berg halten…

In diesem Buch geht es mir darum, meine Geschichte zu erzählen, die ich in Interviews und Auftritten immer nur unvollständig schildern kann.

Ihre Kritik an Vladimir Putin ist unerbittlich. Weshalb muss er Ihrer Meinung nach unbedingt abtreten?

Wenn ich Putin kritisiere, meine ich in erster Linie nicht nur ihn als Person. Gemeint ist das ganze korrupte russische Regierungssystem, das sich an keine Gesetze hält, das Bürgerrechte mit Füssen tritt und Unbequeme ins Gefängnis wirft. Dies alles ist aber natürlich sehr eng verbunden mit der Person Vladimir Putin.

In Ihrem Buch rufen Sie Ihre russischen Leserinnen und Leser auf, nicht auf einen besseren Präsidenten zu warten sondern das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Wie realistisch ist die Revolution in Russland, zu der Sie aufrufen?

Buchhinweis:

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Nadja Tolokonnikowa: «Anleitung für eine Revolution». Hanser Berlin, 2016.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich zu einer Revolution aufrufe. Aber Veränderungen sind möglich. Da bin ich mir sicher. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist grösser, als dies den Anschein macht. Im Westen hat man wohl den Eindruck einer völlig passiven russischen Öffentlichkeit. Das stimmt aber nicht. Da der offene Protest verfolgt wird, verschafft er sich derzeit vorab in langen Diskussionen in den Wohnungen und Küchen unzufriedener Bürgerinnen und Bürger Ausdruck. Das war schon zur Sowjetzeit so und ist heute wieder ähnlich.

Oppositionelle leben in Russland gefährlich. Erst kürzlich wurde der Regimekritiker Boris Nemzov das Opfer eines Mordanschlags. Sie leben mit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter in Moskau. Haben Sie Angst?

Angst haben wir alle. Aber es geht darum, eine Entscheidung zu treffen und die Angst zu überwinden.

Weshalb wandern sie nicht einfach aus?

Weil ich in Russland zu Hause bin.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 15.3.2016, 17.45 Uhr.

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